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nur dem zeitlichen, nicht dem ewigen Menschen schrecklich. Trotz seiner furchtbaren Erscheinung ist er wesentlich ohnmächtig. Deshalb konnte er für die christliche Kunst, für das christliche Volksfest und Schauspiel eine komische Figur werden, wie es auch der Teufel wurde.

In den Todtentänzen, die seit dem 14ten Jahrhundert sehr häufig gemalt wurden, ist der Grundgedanke: dass die Menschen nach der Pfeife des Todes tanzen müssen. Ueberall geht den Tanzenden der Tod (als Gerippe) voran und spielt ihnen auf. In dem Berner Bild von Niclas Manuel drei Tode mit Posaunen und einer mit dem Dudelsack, in den Icones mortis, Holzschnitten nach Holbeins Todtentanz, ist es ein ganzes Orchester. Ausser dem vorspielenden Todtengerippe führt aber jeden einzelnen Tänzer noch besonders ein Gerippe auf.

Uebrigens haben diese Todtentänze ein moralisirendes und ein humoristisches Element in sich aufgenommen. Die Moral ist: „Der Tod, Strafe der Sünde.“ Deshalb geigt der Tod in der Regel dem Adam und der Eva voran, denen die übrigen Menschen, nach Ständen geordnet, nachfolgen. Der Humor ist: „Durch der Menschen Eitelkeit wird der an sich immer schreckliche Tod doch beziehungsweise lächerlich.“ Man vermuthet, die grossen Pestilenzen des 14ten Jahrhunderts hätten die erste Veranlassung zur Abbildung der Todtentänze an Kirchhofsmauern gegeben, und in der That konnte die Menschen wohl unter keinen andern Umständen jener geniale Humor anwandeln. Man musste an den Anblick des Todes in Masse sehr gewöhnt seyn, um sich mit dem Gedanken der Gleichheit aller Stände zu trösten und um dem Schrecklichen die lächerliche Seite abzugewinnen.

Ueber die Todtentänze haben geschrieben: Fiorillo, Künste in Deutschland IV. 128 f. Ulrich Hegner, Hans Holbein der Jüngere S. 296 f. v. Rumohr im Kunstblatt 1823. Nr. 31–34. Grüneisen, das. 1830. Nr. 22–26. Massmann, die Baseler Todtentänze, 1847. Zusätze dazu im Serapeum VI. 225. Ueber die französischen schrieb Peignot,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 499. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_499.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)