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Bezug auf das Verhalten zu den Menschen. Vincent. Bellov. spec. morale I. 3. 7. Ihnen entsprachen im heiligen römischen Reiche die drei geistlichen Kurfürsten mit den vier weltlichen. Inzwischen werden auch noch andere Tugenden in jene eingeschoben und die Reihe derselben anders wiedergegeben. In einem Tractat aus dem 12ten Jahrhundert folgen sich: sapientia, fides, caritas, spes, pax, misericordia, indulgentia, patientia. Im 13ten Jahrhundert kommen vor: Maass, Keuschheit, Milde, Sanftheit, Minne, Wackerheit, Demuth. Graff, Diutiska I. 281. 294. Auf Gemälden, in denen Tugenden und Laster streiten oder einander wenigstens gegenüberstehen, tritt der ira die patientia , der superbia die humilitas, der gula die temperantia, der invidia die caritas, der venus die castitas, der avaritia die misericordia, der pigritia die diligentia entgegen. Wo die Tugenden nur angebracht werden, um eine heilige oder auch weltliche, namentlich fürstliche Person zu verherrlichen, werden auch hauptsächlich solche Tugenden ausgewählt, die jene Person am meisten ausgezeichnet haben, ohne feste Regel.

Wie den sieben Tugenden die sieben Laster oder Todsünden gegenüber, so stehen ihnen die sieben Wissenschaften zuweilen zur Seite, die intellektuellen Mächte neben den moralischen. So erscheint der heilige Thomas von Aquino auf einem Bilde des Taddeo Gaddi in Florenz umgeben von vierzehn schönen Frauen, von denen eine Hälfte die sieben Tugenden, die andere die sieben Wissenschaften darstellt. — Die sieben Gaben des heiligen Geistes gehen in beide, die moralische und intellektuelle Reihe über. Jesaias 11, 1. bezeichnet sie als: Weisheit, Verstand, Rath, Stärke, Wissenschaft, Furcht des Herrn. Zwischen die beiden letztern wurde noch Gottseligkeit eingefügt. Vgl. Dante, von Kopisch S. 253.

Wenn man die Laster vorzugsweise gerne in Thiergestalten malte, so versuchte man das auch in Bezug auf die Tugenden, doch hier mit viel mehr Einschränkung, weil das Thierische, indem es unter dem Menschlichen steht, mehr zum teuflischen Ausdruck hinneigt, als es fähig ist, das

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_509.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)