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Jesu überrascht der Engel die Jungfrau, als sie gerade Purpurseide für den Tempel webt. Das hat auch Wernher in seinem Gedicht zu Ehren der Jungfrau Maria aufgenommen und findet sich auch auf Gemälden. Ueberhaupt zogen es die Maler vor, ihr eine vornehmere Wohnung und Umgebung zu leihen, als von der Braut eines armen Zimmermanns zu erwarten war, und folgten hierin den Apokryphen. Das Zimmer der Verkündigung ist daher oft sehr prächtig. Da diese Pracht nur symbolisch zu verstehen ist, wie das Thronen Maria’s oft sogar im Stall von Bethlehem, lässt sich nichts dagegen einwenden, nur alberne Spielereien sollen die Maler vermeiden und keine Katzen und Papageien anbringen wollen, wie geschehen ist. Vgl. v. Wessenberg, christliche Bilder II. 267.

Ein besonderes Attribut der Jungfrau auf Verkündigungsbildern ist die Lilie ohne Staubgefässe im durchsichtigen Glase, gewöhnlich zu ihren Füssen. Vgl. den Artikel Lilie. — Auf altdeutschen Bildern erfolgt die Verkündigung zuweilen in dem „verschlossenen Garten“ oder wenigstens in einem Zimmer, das unmittelbar an den rings ummauerten blumenvollen Garten stösst. Dieser Garten ist Symbol der Jungfräulichkeit und unbefleckten Empfängniss.

Gabriel, der Engel der Verkündigung, erscheint gewöhnlich in einem weissen Kleide, womit nicht nur die englische Reinheit, sondern auch ein Priesteramt ausgedrückt wird. Oft gaben ihm die Maler ein wirkliches Priesterkleid, ein goldenes Messgewand. Rathgeber, Annalen S. 69. Insgemein hat er einen Lilienstengel in der Hand. Oft erhebt er die rechte Hand zum Segen. Seine Haltung ist die eines heiligen Boten, würdig, ernst, ruhig. Nicht selten wird er knieend gemalt, wie die Jungfrau selbst, beide in tiefe Andacht versunken. So auf dem Bilde von Garofalo auf dem Capitol. Hier ist der Engel noch durch einen Blumenkranz und durch ein reiches hochzeitliches Kleid ausgezeichnet. Auch Nicolaus von Pisa malte den Engel knieend zu Orvieto. Johann van Eyck gab ihm Pfauenfittige, deren viele Augen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_516.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2023)