Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 537.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sinne ein weiterer Raum vergönnt, und er ahnt und gewahrt, was im Verborgenen vorgeht. Man vernimmt gleichsam den gewaltigen Kampf der Kräfte der Natur. Die Erde befindet sich in der Sonnennähe, aber ihre Finsterniss ist noch so mächtig, dass das neue Licht der Sonne, das an sie heranzittert, noch nicht durchdringen kann. Es währt lange, bis man den Sieg zu gewahren vermag. Zwölf Tage wenigstens dauert der Kampf, die Nachwirkung der alten Nacht und die Ausführung des Sieges, den das neue Licht errungen, das beharrliche Sträuben der besiegten Dunkelheit, in dem sie Stich hält und den Stand behauptet, und der leise, stille, zuversichtliche Fortschritt des Lichts. Indess Sonne, Licht, Leben sind nichtsdestoweniger Sieger. Das macht uns schon der Stillstand gewiss. Eben das Stillstehen der bisher immer wachsenden Nacht und des immer mehr absterbenden Tages gibt uns die Bürgschaft, dass etwas Neues vorgegangen ist, dass eine andere Macht aufgetreten, dass ein Kampf begonnen, und eine Neugeburt im Werke ist. Das Licht ist wiederum geboren, ein neues Jahr beginnt durch den Zufluss frischer Kräfte aus der Sonnennähe, und die Sonne wird den Sieg davontragen. Kurz, was ist dieses Mittwintergefühl anderes als die Ahnung, keine Noth sey so gross, dass nicht von oben herab Hülfe werde, und kein Fluch so schwer, dass ihn nicht der Segen überwinde? Nunmehr erwacht man vollständig zu dem wahren Neuen; die Ahnungen der vier früheren Wochen sind erfüllt, und die Erinnerungen aus den vorigen Jahren haben uns nicht umsonst geleitet. Das ist die heimliche Freude und die feierliche Hoffnung in dem Stillstand der Nächte im Mittwinter.“

Schon den Heiden war die Wintersonnenwende ein allgemeines hohes Freudenfest. Man fasste es zugleich als eine Feier der Befreiung auf, der durch das neue Licht und Leben von den Fesseln des Winters befreiten Natur. Daher die berühmten Saturnalien der Römer, an denen, so lange das Fest dauerte, alle Sklaven frei waren. Auch noch heute und unter uns lebt diese Vorstellungsweise fort. In die

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 537. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_537.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)