Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 540.jpg

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Gabriel legte ihr das Geheimniss der Menschwerdung aus, und hauchte sie dreimal an. Und das Wort wurde wahr! Als nun die Stunde der Niederkunft nahte, da ging Mirjam hinaus in den Wald, wo ihr der Engel erschienen war, und setzte sich unter den Baum, wo er gestanden hatte. Da kam ihre Zeit, und sie gebar einen Sohn. Es war aber tiefer Winter, und Schnee bedeckte die Erde und alle Bäume. Kaum aber schlug das Kind die Augen auf, so schlug der ganze Wald in Blättern aus, die Rosen blühten, und alle Vögel erwachten aus dem Winterschlafe und zwitscherten zum Himmel ein Loblied hinauf, nahebei entsprang plötzlich eine Quelle etc.“

Auf Kirchenbildern sind die gewöhnlichen Attribute der Geburt Christi folgende: 1) Der Stall mit Ochs und Esel an der Krippe wird auf den Bildern der griechischen Kirche stets als Höhle in einem Berge, auf den abendländischen aber als ein Haus oder als eine Hütte aufgefasst, weil im Orient häufig die Stallungen für Karavanen in Felsen gehauen sind, im Abendland aber die Ställe gezimmert werden. Didron, man. p. 158. 2) Der Stern über dem Stalle. 3) Maria, sitzend mit dem Kinde, oft sogar thronend und mit der Krone, weil sie gerade durch ihre Erniedrigung bis in den Stall zur Königin des Himmels erhoben wird. Eine andere Bilderreihe fasst die heilige Jungfrau mehr nur als menschliche Mutter auf; man sieht sie hier als Wöchnerin im Bett liegen, das Kind wird von dienenden Frauen gewaschen etc. Diese menschliche Auffassung hatte ihren Grund wohl in der Opposition gegen die unbefleckte Empfängniss. Sie schickt sich für den heiligen Gegenstand nicht. Das Hebammen- und Waschgefolge gehört nicht hieher. 4) Der fromme Joseph, der gleichsam als Priester administrirt und anbetet. Auch ihn hat die spätere Malerei so natürlich und kleinbürgerlich als möglich aufzufassen gesucht, aber unmerklich in den ehrlichen Zimmermann etwas wie Ironie gelegt. Er kann nicht streng priesterlich genug gedacht werden, wenn es nicht um seine Würde gethan seyn soll.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_540.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)