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der Schöpfung festete Gott am Himmel die Sterne, am Weltende werden alle diese Sterne in einem grossen Regen niederfallen. Bei der Schöpfung schied Gott die Elemente und liess in jedem besondere Creaturen gedeihen, und gab die Erde den Menschen zur Wohnung; am Weltende werden alle Elemente vergiftet, Berge geschmolzen, alle Wohnungen zerstört, alles Leben vertilgt. — Vorbilder dieser letzten Weltschrecken sind die Plagen in Aegypten, worüber schon im Artikel Plagen gehandelt ist.

Beinahe in allen Kirchen wurde im deutschen Mittelalter am Eingang der Sündenfall mit Adam und Eva, im Chor das Weltgericht nach der Offenbarung Johannis gemalt. Auch sind uns ungewöhnlich viel altdeutsche Gedichte vom Antichrist und vom Weltende erhalten. Schon Grimm (deutsche Mythol. 158.) erkennt in dieser Vorliebe für die apokalyptischen Vorstellungen den Wiederschein einer nahe verwandten, ältern und heidnischen Anschauung, wie sie noch vollständig in der Voluspa, dem ältesten Liede der Edda, erhalten ist. Alle feindlichen Mächte erheben sich wider die Götter, alle Elemente stürmen heran, das Meer steigt empor, die Erde gibt alle Todten wieder, der Himmel bricht ein und Surtur mit seinen Schaaren stürzt aus der Feuerwelt herunter, die ganze alte Welt zu verbrennen.

Wie die ältere mit der christlichen Vorstellungsweise sich durchdrang, sehen wir aus Muspilli, dem Bruchstück eines oberdeutschen Gedichts aus dem 9ten Jahrhundert, aufgefunden in einer Emmeraner Handschrift der Münchner Bibliothek durch Schmeller und von ihm edirt 1832. Es ist in Stabreimen gedichtet und beweist die frühe allgemeine Geltung der Alliteration. Das Ganze war eine Schilderung des Weltendes, die Apokalypse durchdringend mit Vorstellungen der Voluspa. Muspilli selbst ist Muspelheim, das Feuerland, der Antichrist Surtur, Elias Thor. Aus dem Umstand, dass Elias, obgleich siegend, doch schwer verwundet wird, erkennt man die alte Göttersage. — Auch in einem Gedicht des

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_552.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2023)