Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 021.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Menschen machte, und ihm sogar den freien Willen zur Besserung absprach, alles Heil für ihn und seine Nachkommen der von aussen kommenden Gnade allein anheimstellend. Der Rationalismus des vorigen Jahrhunderts schwächte wieder den Begriff der Erbsünde, und stellte den Menschen als solchen wieder so hoch, dass nur noch Schwächen an ihm haften. Endlich leugneten die Naturforscher, dass es überhaupt ein erstes Menschenpaar gegeben habe, und nahmen deren so viel an, als es Menschenracen gibt.

Auf den ältesten Kirchenbildern sind Adam und Eva vor dem Falle noch insofern als Ebenbilder Gottes idealisirt, als sie (die nicht geboren, sondern geschaffen wurden) keinen Nabel haben und auch geschlechtslos erscheinen. Didron, manuel p. 78. Das Letztere scheint gerechtfertigt, sofern Jehovah der Eva erst nach dem Falle Kinder verhiess, und sofern Adam und Eva vor dem Falle zu einem ewigen Leben berufen waren. Die Geburt der Nachkommen und der Tod der Eltern setzen einander voraus. Im Paradiese war indess schon vorher den Thieren Fortpflanzung geboten.

Adams Erschaffung aus dem Erdenkloss ist nur selten und nur von naiven Anfängern in der Kunst gemalt werden. Gewöhnlich zeigen ihn die Kirchenbilder schon fertig. Michel Angelo hat in einem berühmten Bilde der sixtinischen Kapelle in Rom den Augenblick gewählt, in welchem der eben fertig gewordene Adam nur noch mit der Fingerspitze die Fingerspitze Gottes berührt, so dass alles grobe Formen aus Lehm vermieden und die Schöpfung nur wie eine elektrische Berührung erscheint.

Auf Bildern des Sündenfalls steht der Baum mit dem Apfel in der Mitte, um ihn windet sich die Schlange, Adam steht zur Rechten, Eva zur Linken; umher Thiere des Paradieses, die häufig von den Künstlern im symbolischen Sinne ausgewählt sind. Vgl. Heller, A. Dürer II. 2. 342. Gewöhnlich finden sich eitle, schlaue und lüsterne Thiere (Pfau, Papagei, Fuchs, Katze, Tiger etc.) auf Eva’s Seite; gutmüthige, dumme Thiere (Ochs, Kameel etc.) auf Adams Seite.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_021.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)