Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 068.jpg

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und gefallen sich nur in der Erfindung toller Frazzen. Die Legende selbst ist reicher.

Ganz eigenthümlich fasste der Maler Brune die Versuchung auf (Kunstausstellung in Paris von 1834. Kunstbl. 1834. S. 211.). Statt der hässlichen Teufel drängt sich hier nur eine überaus fröhliche Gesellschaft in die Zelle des Heiligen, und Alles lächelt ihn mit zauberischer, ganz unbefangener Naturlust an. Ein schelmischer Knabe bietet ihm mit vollen Händen Gold, ein Zitherspieler und eine muthwillige Bachantin locken ihn zum Tanz, ein in trunkener Seligkeit lächelnder Jüngling bietet ihm den vollen Becher; ein wahrer Engel endlich von Mädchenunschuld und Mädchennaivetät schmiegt sich an ihn und enthüllt ihm den höchsten Zauber der Natur, ohne dass irgend etwas Dämonisches, Arglistiges hindurchblickt, überall nur das Verführerische allein ohne das Böse.

In der Symbolik dieser Legende liegt ein tiefer Ernst, und es gehört die ganze moderne Verweltlichung dazu, um ihn verkennen zu machen und dem Gegenstande eine ausschliesslich komische Wendung zu geben. Jeder Fromme muss an sich selbst mehr oder weniger die Legende wiederholen. Aeusserst eigenthümlich ist eine Versuchung des heiligen Antonius von Schongauer in Colmar.[WS 1] Hier verzerren sich nun die Bäume und Felsen der Einöde selbst in gespenstische Formen, und es ist nicht auf Verführung, sondern auf ein Aengstigen oder Wahnsinnigmachen des Heiligen abgesehen. Es ist die Bedrängung eines melancholischen, nicht mehr die Verlockung eines sanguinischen Gefühls.

Antoniusfeuer hiess im 12ten Jahrhundert eine Pest, gegen die sich die nach St. Didier la Mothe im Bisthum Vienne gebrachten Reliquien des Heiligen wirksam erwiesen. Bunsen, Beschr. von Rom III. 2. 298. Regis, Rabelais II 66. – Das Antoniuskreuz ist ein , die Form des Stabes, den der Heilige zu tragen pflegte. Helyot, Mönchsorden II, 132. – Attribute des Heiligen sind ferner ein schönes, jedoch gehörntes Weib, Personification der teuflischen Verlockung, und ein Schwein, welches ursprünglich ohne Zweifel auch nichts

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Martin Schongauer (um 1445/50–1491), deutscher Kupferstecher und Maler.
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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_068.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)