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den Kelch mit darüber schwebender Hostie gegeben, genau dasselbe Symbol, woran überhaupt der Glaube (fides) kenntlich ist. Sie selbst wird mithin zu einer Personification des Glaubens. So fasste sie auch Raphael in seinem berühmten Bilde der Madonna di S. Sisto auf. Hier kniet zur Rechten der glaubensstarke greise Papst, zur Linken die glaubensstarke Barbara, der Glaube in männlicher und weiblicher Potenz. – Anderweitige Attribute der Heiligen sind die Palme des Martyrerthums und der Thurm mit den drei Fenstern. Auf alten Bildern und Stichen haben sich die Künstler zuweilen seltsame Abweichungen erlaubt, den Kelch in eines der Fenster gestellt, ja sogar der Heiligen ihren Thurm als Kopfputz aufgesetzt (Borekens bei Huber VI. 97.), gemäss der im 15ten Jahrhundert modischen thurmhohen Hauben der Damen. Uebrigens wird die Heilige als Prinzessin gewöhnlich mit einer Krone und wegen ihres sanften Charakters mit holdseligen Zügen, ein wenig lächelnd dargestellt.

Diese Taubensanftheit ist es auch, weshalb man sie zur Schutzpatronin gegen die Gewitter erkoren hat. Im Toben der Gewitter erschöpft gleichsam der Böse seine Wuth, muss aber dem sanften Glauben weichen. Daher ruft man die Heilige in schweren Ungewittern an, und sind viele Glocken, die man gegen die Gewitter läutet, auf ihren Namen getauft. Als das Schiesspulver erfunden war, wählte man auf sinnige Weise gerade wieder diese milde Heilige zur Schutzpatronin der Artillerie, nicht etwa, damit sie die Feigheit vor der Wirkung des feindlichen Geschützes bewahre, sondern damit sie wache, dass der Glaube siege. Indem man die schrecklichste der Waffen ihr weihte, gelobte man sich auch, nur einen heiligen Gebrauch davon zu machen zur Ehre Gottes. Darum war ihr Bild ehemals auf allen katholischen Arsenalen aufgerichtet und heisst noch jetzt auf französischen Schiffen die Pulverkammer St. Barbe. Bei der tapfern Vertheidigung von Gerona bildeten die spanischen Frauen und Jungfrauen der Stadt noch im Jahre 1809 sogenannte Compagnien der

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_107.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)