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Gedicht von der Königin Anchroja die Dreieinigkeit zu erklären als: Auge, Pupille und Stern. – Eben so spielend erscheinen die Namen Dreifaltigkeitsblümchen (Stiefmütterchen), welches drei Farben hat; die Insel St. Trinidad, die sich von fern durch drei gleich hohe Berge bemerklich macht etc. Auch die drei einander entgegenstehenden Spiegel (Picinelli, mundus symb. II. 40) passen nicht, weil der Spiegel an sich nur die leere Erwartung eines Andern ist, das ihn erst ausfüllen soll, und dreimal leer doch immer nur leer bleibt.

Noch schlimmer sind die philosophischen Spielereien, die von Abälard an bis auf die neueste Zeit mehr oder weniger pantheistisch die Dreieinigkeit aus dem Centrum Gottes heraus an die Peripherie der Welt verbreitet und vertheilt haben. Schon die Vertheilung der höchsten Gaben, der Macht an den Vater, der Weisheit an den Sohn, der Liebe an den Geist (nach Abälard), ist verwerflich, weil allen drei Personen alle drei Gaben gleich stark inwohnen. Noch unpassender ist die neuere Distribution, wonach dem Vater die alte Weltgeschichte, dem Sohne die mittlere, dem Geiste die künftige unterzuordnen seyn soll; oder gar die Unterscheidung des Vaters als Gottes ausser dem Menschen, des Sohnes als Gottes, der sich zum Menschen bewegt, und des Geistes als Gottes, der in uns und ganz von uns verschlungen ist.

Die Andacht verlangte und die Naivetät des Mittelalters erlaubte Darstellungen der Dreieinigkeit, in denen bei unzulänglichen Mitteln des Künstlers doch tiefer Ernst und ein zarter Sinn vorwalteten. Von dieser Art ist das vielfach vorkommende Selbdritt der drei höchsten Personen: Gott der Vater, gewöhnlich als Kaiser dargestellt, hält in seinen Armen den Heiland am Kreuz so, dass über dem Kopf des Heilandes noch Raum für den heiligen Geist in Taubengestalt bleibt und so die drei Köpfe gerade über einander zu stehen kommen. Didron, icon. p. 520. Twining, symb. pl. 39. Waagen, Paris 319. Dessen Catalog der Berliner Galer. 1830, S. 268. Kunstbl. 1847, S. 220. Ein ähnliches Bild von Albrecht Dürer befindet sich im Wiener Belvedere. Diese

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_216.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)