Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 238.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Menschen schuf, dessen Leiblichkeit den Geist gefangen nimmt und ihm Demuth lehrt. Vgl. Wiener Jahrb. 32. 207. Suso sagt einmal: „Mehr als Engel ist der leidende Gerechte, denn Engel leiden nicht.“ Gall, Stimmen aus d. Mittelalter 171. „Honoramus angelos caritate, non servitute, nec eis templa construimus,“ sagt St. Augustinus, de vera relig. 55.

Die Engel sind so sehr nur Vollzieher des göttlichen Willens, dass sie zuweilen mit Gott identisch erscheinen. Vgl. Genesis 31, 11. 13. Exod. 3, 2. Richter 6, 11. Andererseits stehen sie wieder in inniger Wahlverwandtschaft mit den Seelen der Seligen, denen verheissen ist, zu werden, wie die Engel. Matth. 22, 30. Luk. 20, 36. Hebr. 12, 22. Ueberall aber gehören sie einer höhern Geisterregion über den Menschen an, und es ziemt ihnen deshalb in bildlichen Darstellungen eine heitere Unbefangenheit, die sich mit der Naivetät der alten Malerei viel besser vereinigen lässt, als mit dem Pathos der modernen. Der wie aus einer fremden Welt herablächelnde Engel ist schicklicher als der vom Weltschmerz ergriffene oder in Sorgen und Leidenschaft sich abarbeitende Engel, in dem die neuern Maler alle menschlichen Gefühle auszudrücken bemüht sind, vergessend, dass die Engel darüber erhaben sind. Am Unpassendsten ist es, in die Physiognomie der Engel etwas Anspruchsvolles, kokettes Bewusstseyn, hohe Selbstschätzung mit aufgeworfener Nase und verkniffener Lippe zu legen. Die zarte Engelwelt eignet sich am wenigsten, in die Sphäre künstlerischer Vornehmthuerei und Renommisterei hinabgezogen zu werden.

Die Engel verhalten sich zu den Teufeln in der Geisterwelt ganz so wie die Frommen zu den Gottlosen in der Menschenwelt; daher sind sie Vorbilder der Christenheit im Gegensatz gegen Heiden und Ungläubige, des Lichtreichs auf Erden im Gegensatz gegen das Nachtreich; im engeren Sinne aber Vorbilder des Priesterthums im Gegensatz gegen die Laienwelt. Jeder Priester soll sich bestreben, so körperlos als möglich zu werden und als Gottes Diener und Bote auf Erden zu erscheinen, wie die Engel. Vgl. Maleachi 2, 7.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_238.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)