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Als Vorbilder des Priesterthums vollziehen Engel die ganze Liturgie auf alten Kirchenbildern. Didron, man. p. 230 f. Als Chorknaben erscheinen sie höchst reizend auf dem berühmten Genter Altar von Eyck. Vgl. auch Rathgeber, Gothaer Museum S. 228.

Die Engel sind in Rangordnungen getheilt, die unter sich in vollkommener Harmonie stehen. Die Engelwelt soll auch in dieser Beziehung Vorbild der in der christlichen Kirche harmonisch vereinigten Menschenwelt seyn. Daher sieht man auf Kirchenbildern des Mittelalters oben die himmlischen Heerschaaren oder Engelchöre und unten eben so viele und denselben entsprechende Abtheilungen von menschlichen Heiligen, Martyrern, Propheten, Sibyllen, heiligen Jungfrauen, heiligen Rittern, heiligen Matronen, heiligen Einsiedlern etc. Als Chorführerin der Engel tritt dann immer die heilige Jungfrau, als Führer der irdischen Heiligen dagegen Johannes der Täufer hervor.

Die Classification der Engel ist sehr mannigfach und verschiedenartig. Abgesehen von den gnostischen Häresien, deren Aeonenlehre pantheistisch war, unterscheidet man in den Engeln hauptsächlich ihre Tugenden und ihre Zwecke. Sie charakterisiren sich entweder durch die Eigenschaften der Macht, Weisheit, Liebe, die ihnen Gott mittheilt, oder durch die Bestimmung, die er ihnen gibt, durch ihr Amt.

Eine personificirte Einheit der Engelwelt gibt es nicht. Lucifer als erster Engel kann sie nicht darstellen, weil er abfiel. Alle guten, Gott getreuen Engel bilden nur eine Mehrzahl, eine Peripherie um das göttliche Centrum her. Erst die neuere Kunst hat versucht, sie auf eine Zweiheit zu reduciren, auf einen Engel als Vertreter der göttlichen Gnade, einen andern als Vertreter der göttlichen Gerechtigkeit. So brachte sie Pezolt an den beiden Seiten des Altars in der Hauskapelle des Cardinal-Erzbischofs von Salzburg an, den einen mit Lilien und Palmen dankbar emporschwebend, die Flamme der Erleuchtung auf dem Haupt; den andern sein Gesicht verhüllend und aus einer Schale die Flammen göttlichen Zornes ergiessend.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_239.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)