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Kunst noch ganz abhängig von der antiken. Vgl. Piper, Myth. I. 351. Bald aber stellte sich die Nothwendigkeit ein, jene heidnischen und nackten Formen zu verlassen, und in den Miniaturen und Mosaiken der byzantinischen Zeit erscheinen die Engel ohne Flügel und in langer Tunica, auch als Boten mit langen Stäben versehen. Waagen, Paris I. 197. Sodann bezeichnete man der Schrift gemäss die drei ersten Engelklassen (Throne, Cherubim, Seraphim) durch Räder, Thierfiguren und vielgeflügelte und vieläugige oder selbst vielköpfige Menschenfiguren, behielt aber für die andern die einfache menschliche Gestalt und nur zwei Flügel bei, die ihnen als den vom Himmel kommenden Boten gebühren. Die weissen und weichen Taubenflügel erinnern an den heiligen Geist unter der Gestalt der Taube, wie die schwarzen Flügel der Teufel an den Teufel unter der Gestalt des Raben. Um die vielen Augen der Cherubim natürlich anzubringen, gaben die altdeutschen Maler den Engeln oft Flügel voll Pfauenfedern. So Eyck auf dem Bilde der Verkündigung. Vgl. auch d’Agincourt II. 12. fig. 16. Juden und Muhamedaner geben ihren Engeln fabelhaft grosse und mannigfache Flügel. Von solchen Ausschweifungen blieb die christliche Kunst fern; doch zeigt sich allerdings bei den bunten, papageifarbigen Engelflügeln mancher sonst sehr frommer Maler, wie z. B. des Fiesole, etwas zu viel Spielerei.

Die Engel erscheinen immer barfuss. Wer Flügel hat, bedarf der Schuhe nicht. Molanus, hist. imag. 349, stellt die seltsame Behauptung auf, die Engel sollten eigentlich immer nackt dargestellt werden, gleich den ersten Menschen im Paradiese, weil sie sich noch im Stande der Unschuld befinden. Aber die heilige Schrift selbst verlangt für das wiedereroberte Paradies weisse Kleider und nicht die Nacktheit des verlorenen Paradieses.

Die Engel sollen immer züchtig verhüllt oder bekleidet seyn. Die Cherubim und Seraphim decken sich mit ihren Flügeln. Doch geht das Herrnhuter Gesangbuch 1741, S. 230. zu weit, wenn es verlangt, die Engel sollen mit verhülltem

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_245.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)