Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 326.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Hölle stürzte; zugleich Vorbild des christlichen Ritterthums, wie es hauptsächlich im Abendlande und unter den germanischen Stämmen sich ausgebildet hat. Auch von St. Georg sagt die Legende, er habe als Prinz von Cappadocien einen Drachen erlegt und die Prinzessin Aja befreit, die von jenem verschlungen werden sollte, sey jedoch später als Christ von den Heiden grausam zu Tode gemartert worden. Diese Jungfrau bedeutet die Kirche, sowie der Drache die der Kirche feindliche Macht. Der Heilige aber bedeutet die christliche Ritterschaft, die da berufen ist, die Kirche zu beschirmen.

Man findet die Legende des heiligen Georg Acta SS. und Surius zum 23. April. Sie ist sehr viel bearbeitet und variirt worden. Eine Uebersicht in von der Hagens Gedichten des Mittelalters I. 86 f. Eine französische histoire de S. George von Heylin, ein altdeutsches Gedicht des Reinbot von Dorn. In Reinbots Gedicht ist die Innigkeit des Gefühls zu bewundern, mit welcher Georg theils vor seinen zwei Brüdern, theils vor der Kaiserin die poetische Tiefe des Christenthums enthüllte. Trefflich sind die ritterlichen Kriegsscenen und grässlich die Marterscenen. Als eine liebliche Idylle wechselt damit die Erscheinung des Heiligen in einer armen Hütte ab, in der er bewirkt, dass die dürren Balken grünen und blühen, der leere Tisch mit Speise sich füllt und ein todtes Kind wieder lebendig wird.

Ist der letztere Zug aus älterer Quelle geschöpft und nicht blos Zuthat des Dichters, so stimmt er zu der Erklärung, die in der Legende nicht blos die Wiederholung der Drachenbesiegung durch den Engel Michael, sondern auch die auf das Christenthum übertragene Mythe vom Perseus sieht. Der Drache bedeutet darnach den Winter, Andromeda die im Winter gefesselte Vegetation und der Perseus die Sonne, die den Winter vertilgt und die junge Saat und Blüthenwelt aus dem Schooss der Erde befreit. Damit stimmt sogar der Name Georg (γῆ-οὐργος) und sein Fest am 23. April überein. Creuzer, Symb. 3. Aufl. I. 343. An diesem Tage

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_326.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)