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erwähnt dazu einer Glocke zu Bönnigheim, die von den Einwohnern vergraben wurde, damit sie nicht den Raubhorden Melacs in die Hände fallen möchte, die man aber, als heftige Gewitter kamen, rasch wieder ausgrub und läutete. Afzelius, schwed. Volkssagen III. 195, berichtet, die Schweden hätten in ihrem ganzen weiten Lande keinen Platz übrig lassen wollen, wohin nicht das Glockengeläute dränge (um überall die heidnischen Dämonen zu vertreiben), darum hätten sie auch an ganz abgelegenen einsamen Orten sogenannte wüste Kirchen errichtet, d. h. nur eine Art Glockenthürmchen.

Zuweilen kommt in den Sagen die Sitte vor, lebendige Ottern in den glühenden Glockenguss zu werfen; dann werden die Ottern aus der ganzen Gegend, so weit die Glocke tönt, verbannt. So heisst es von der Glocke der Marienkirche in Stargard. Temme, Volkssagen aus Pommern Nr. 269. So von einer Glocke zu Bernau, dessen Volkssagen der Altmark S. 113. Kuhn, märk. Sag. Nr. 162. Hiebei muss man wohl an den heidnischen Schlangencultus denken. Wie heilig die Glocken geachtet wurden, erhellt auch aus dem Hexenglauben. Die Hexe verschreibt sich dem Teufel, indem sie etwas Metall von einer geweihten Glocke abschabt und in’s Wasser wirft mit den Worten: „So wenig dies Metall sich je wieder mit der Glocke vereinigt, so wenig meine Seele je wieder mit Gott.“ Aus dem berüchtigten Hexenprozess zu Mora in Schweden.

Wie nun die durch die Glocken vertriebenen Donner- und Wettergötter, Götzen und Teufel vom christlichen Volk noch persönlich aufgefasst wurden, so wurde hinwiederum von den Heiden die Glocke wegen ihrer mächtigen Stimme als ein persönliches Wesen, als der neue Gott selbst oder ein Dämon in seinem Dienste gedacht.

Der Volksglaube, dass den Glocken ein vom Menschen unabhängiger Geist und Wille inwohne, immer aber im Dienste des höchsten göttlichen Willens, kehrt sehr häufig wieder in den schönen Legenden und Volkssagen vom freiwilligen Läuten der Glocken, welches erfolgt, ohne dass

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_341.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)