Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 479.jpg

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so dass die Priester nicht in dasselbe hinein konnten,“ benutzt haben, um den Himmel oder das neue Jerusalem, wohin die Seligen gelangen sollten, als eine gemeine irdische Kirche darzustellen, aus deren Thüren und Fenstern aber ein übernatürlicher Glanz und Sonnenschein hervorbricht. — Kleine Kirchenmodelle auf dem Arme eines Bischofs oder Fürsten oder einer Fürstin etc. bezeichnen auf Kirchenbildern immer den Stifter oder die Stifterin.

Was nun die Symbolik der gebauten Kirchen betrifft, so liegt sie zunächst in der Orientirung. Der Ausgangs- oder Entwicklungspunkt (gleichsam das Herz) jeder Kirche ist der Altar, und dieser ist von Osten gegen Westen gerichtet, weil die tagbringende Sonne, die Erlösung der Welt von der Finsterniss, als Symbol des Heilands vom Morgen herkommt. Das gilt von allen Kirchen, mögen sie in unterirdischen Grabgewölben, wie die ersten römischen in den Katakomben, oder hoch auf Berggipfeln gegründet seyn. Uebrigens hängt die Wahl des Bauortes von den verschiedensten Bedingungen ab. Kirchen werden errichtet an Stätten, die schon vorher durch ein Wunder oder durch die Erinnerung an eine heilige Person geheiligt waren, oder durch die Kirche soll erst eine gewisse Stätte geheiligt, gegen dämonischen Zauber geschützt werden. Daher die Kapellen und Kirchlein auf Kirchhöfen, auf gefährlichen Bergpfaden, in Einöden, Sümpfen. Aus Noth machte man Höhlen zu Kirchen, im höchsten Aufschwung und Sieg des Christenthums liebte man die Kirchen recht hoch auf die Berge zu bauen. In Zeiten blutigen Kampfes mit den Heiden machte man die Kirche mit ihren Kirchhöfen zu Festungen.

Die Wahl der Baustelle wird oft durch Wunder bezeichnet. So der Bau der Kirche Maria Maggiore in Rom durch Schneefall im Sommer, des Doms zu Hildesheim durch einen blühenden Rosenstrauch im Winter; unzählige andere Kirchen durch dort gefundene Reliquien oder Gnadenbilder, Kloster Neuburg durch den dort wiedergefundenen Schleier der Herzogin Agnes, viele andere durch Erscheinungen,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_479.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)