Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 483.jpg

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in der gothischen (deutschen) Baukunst auch die äussere Schönheit der Schwibbögen bedingt, die von den niedern Seitenschiffen über das Dach derselben zu dem höhern Dach des Mittelschiffs aufsteigen und dasselbe tragen helfen. Den innern Schiffsraum rechts vom Altare nennt man die Evangelienseite, wo die Evangelien gelesen werden und die Weiber sitzen, links vom Altar aber die Epistelseite mit den Männern. Kreuser I. 107. Orgel und Kanzel wanderten, um der ganzen Gemeinde vernehmbar zu seyn, aus dem Chor in's Mittelschiff, die erstere wurde bald am Triumphbogen zwischen Chor und Schiff, bald an der Westseite dem Chor gegenüber, zuweilen auch seitlich angebracht, die Kanzel immer auf der Nordseite.

Die Vorhalle war in ältern Zeiten viel bedeutungsvoller, als sie es jetzt ist, und zwar wegen der vielen Erwachsenen, die sich erst zum Christenthum bekehrten, und wegen der strengern Busse, die viele Erwachsene nöthigte, in der Vorhalle zu verweilen, ohne das Innere der Kirche zu betreten. Auch die Taufe wurde in ältern Zeiten vor der Kirche vorgenommen, die erst der Getaufte betreten durfte. An diese ältern geräumigen Vorhallen knüpft sich nun vielerlei Symbolik. Von Bildwerken sah man darin: 1) den Sündenfall, um daran zu erinnern, woher alle Sünden kommen, von denen zu erlösen die Kirche gegründet ist. Dieses Bild aus dem ersten Paradiese veranlasste den Gebrauch, die Vorhalle selbst das Paradies zu nennen, was auch auf die Theater überging, so dass jetzt noch der von der Bühne entfernteste Raum, wo die Zuschauer niedrigster Klasse sitzen, das Paradies heisst. 2) Den grossen Christoph als Sinnbild des Volks, welches bekehrt werden soll. S. Christoph. 3) Den armen Lazarus, um die Kirchgänger an die Pflicht des Wohlthuns zu mahnen. 4) Das Weltgericht, um den noch Unbekehrten oder Büssern zu zeigen, welcher Verdammniss sie entgegengehen, wenn sie nicht das Rechte wählen. Später wanderten jedoch die Bilder des Weltgerichts aus der Vorhalle hinter den Altar im Chor, um das Ganze der Kirchenbildnerei

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 483. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_483.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)