Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 484.jpg

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passend abzuschliessen, gleich der Bibel beginnend mit dem Paradiese in der Vorhalle, und endend mit der Apokalypse an der Hinterwand des Chors.

In der Vorhalle befand sich auch der Weihkessel mit dem Weihwasser und der Taufstein, so wie der Stand der Büssenden. Der Taufstein wurde aber in den ältesten Jahrhunderten auch häufig in einem neben der Kirche befindlichen besondern Taufhause (baptisterium) aufgestellt, dergleichen man noch oft bei Kirchen in Italien findet. Solche Häuser waren anfangs noch nöthig, um die Menge der Neubekehrten aufzunehmen. Sie wurden gewöhnlich achtseitig gebaut. Auch für die Glocken baute man anfangs eigne, von der Kirche abgesonderte Glockenthürme, die jedoch bald der Kirche selbst einverleibt wurden. Vgl. den Artikel Thurm.

Der verschiedenen Style, in denen die Kirchen gebaut wurden, kann ich hier nur insoweit gedenken, als sich Symbolik damit verbindet. Die ältesten Kirchen erinnern noch an die Katakomben, an die unterirdischen Höhlen, in welche die ersten Christen flüchten mussten. Es sind mehr stark ummauerte Räume, absichtlich dunkel gehalten, gräberartig. Hier erscheinen die Wachskerzen nicht blos als Symbol des himmlischen Lichts, sondern sind auch zur physischen Beleuchtung unentbehrlich. In der deutschen (gothischen) Baukunst zeigt sich ein merkwürdiges Streben nach Licht und Höhe zugleich. Der Heiland erstand gleichsam aus seinem Grabe, um fortan im Tempel des himmlischen Jerusalem zu wohnen. Man wollte nicht mehr eine Stätte der Andacht für die Menschen, sondern ein Haus des Herrn bauen, über alles Irdische erhaben, der göttlichen Idee würdig und ganz von ihr durchdrungen. Jeder Stein am Bau sollte davon zeugen. Daher wurde der Bau in schwindelnder Gipfelung bis zu den Wolken getrieben, um dem Herrn in der Höhe näher zu kommen. Darum musste das Innere mit seinen Pfeilern und vielgliedrigen Spitzbogen, die im Kreuzgewölbe sich oben zusammenschlossen, einem Palmenhain des Paradieses gleichen. Darum musste mit den breiten Wänden jede

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_484.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)