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wurde das deutsche Herz der Kirche gewonnen und eine Herrschaft des Gemüthes gegründet, vor deren Gewalt die Verstandesherrschaft in Constantinopel und die Herrschaft der Phantasie im Islam nicht bestehen konnten.

Augustinus predigte die Demuth des unwissenden Geschöpfes vor dem allwissenden Gott, des sündigen Geschöpfes vor dem allerbarmenden Gott, während kurz vor ihm neben der Verstandeshoffahrt der über die Geheimnisse der Gottheit grübelnden Theologen auch noch die Tugendhoffahrt der Pelagianer aufgekommen war, die sich einbildeten, der Mensch sey von Natur vortrefflich, ja göttlich, und könne durch eigene Kraft und eigenes Verdienst die höchste Stufe der Heiligkeit erreichen. Solchem Dünkel gegenüber, der nur die erbärmlichste Charakterschwäche und sinnlichen Gelüste maskirt, und durch den die Lehre des Erlösers verfälscht und geschändet wurde, war nichts dringender nöthig, als Demuth zu predigen und die Menschen an ihre ganze angeborne Schwäche zu erinnern. Daher Augustinus so ausdrücklich die Erbsünde hervorhob.

Nach der Legende predigte der heilige Augustinus meist den Akephalen (Kopflosen), einem fabelhaften Volke in Afrika. Das thun noch jetzt manche Prediger, ohne Heilige zu seyn. — Das Attribut des heiligen Augustin ist ein brennendes Herz, z. B. auf einem Bilde des Hugo van der Goes in Berlin; ein Buch und ein Adler (der Geist Gottes wie beim Evangelisten Johannes), oft auch der Knabe am Wasser. Er ist Patron aller Theologen.

St. Gregorius der Grosse war Papst im 6ten Jahrhundert, einer der geistvollsten und kräftigsten Päpste, der zuerst England bekehren liess und auf das neue germanische Element in der abendländischen Kirche den grössten Werth legte. Als er zum Papst gewählt wurde, verbarg er sich aus Bescheidenheit, aber eine Feuersäule über seinem Haupte verrieth ihn. Er zuerst nannte sich als Papst „Knecht der Knechte Gottes“. Der heilige Geist pflegte ihm als Taube auf der Schulter zu sitzen und ihm weisen Rath zu ertheilen.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_492.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)