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Bildern zeichnet sich unter dem Kreuzigungspöbel die oft wiederholte Gestalt eines rothen, daher auch Rufus benannten, Juden von scheusslichster Bosheit aus, ein Ideal des „süssen Pöbels“ für alle Zeiten, in welchem die Maler damals alles Hässliche des beim Tode Christi hohnlachenden Judenthums personificirten. Auf einem Bild in Wien, gemalt von Martin Schön, sind die Widersacher Christi unter dem Kreuz mannigfach karikirt, und auf einem Bilde des älteren Holbein macht sich ein bleicher Mann mit scharfen italienischen Zügen und einer Hahnenfeder bemerklich (gleichfalls auf mehreren Bildern wiederkehrend), dem man eine fast dämonische Bedeutung geben könnte. Vgl. Kugler, Gesch. d. Malerei II. 79.

In der dritten Gruppe vertreten die römischen Kriegsknechte jene stolze Omnipotenz des Staats, die, der alleinigen Weltherrschaft sich bewusst, für das Heilige blind ist und in roher Gleichgültigkeit das menschliche Gesetz vollzieht, ahnungslos die Nähe Gottes verkennend. Nur ein Hauptmann gelangt zu dieser Ahnung. Vgl. d. Art. Lanze. Die niedern Knechte würfeln um den ungenähten Rock, weil ihnen herkömmlich die letzte Habe der Verurtheilten zugehört. Vgl. Rock. Man hat sich Mühe gegeben, herauszubringen, dass eine in Germanien geworbene Cohorte der Römer jenen Dienst am Kreuz versehen, und unnützen Witz an den Westphalen geübt, die man vorzugsweise dabei betheiligt sehen wollte.

Neben diesen lebendigen Gruppen drängt sich eine vierte aus den Gräbern hervor, denn nach Matth. 27, 50 f. nahm die stumme Natur an dem Tode Jesu nicht minder Antheil, als sie an seiner Geburt genommen hatte. Die Erde bebte, indem die göttliche Seele vom menschlichen Leibe schied; der Vorhang des Tempels zerriss von oben bis unten, Felsen stürzten ein, die Gräber thaten sich auf und aufstunden viele Leiber der Heiligen, die bis dahin geschlafen hatten, und gingen hervor und erschienen vielen Personen in Jerusalem. Unter diesen Heiligen sind wahrscheinlich die Propheten zu verstehen, die lange Jahrhunderte vorher den Messias verkündet

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_525.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)