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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821].
In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, Hamburg 1967.

Steinbrückin ist zu ersehen, daß er sich damals gut betragen und zuweilen in Büchern gelesen, jedoch (mit Unwahrheit) behauptet habe, daß er Papparbeit verfertige und seinem Stiefvater Richter helfe.

Nach einem Aufenthalt von 6 Wochen ist er

2) zu dem Juden Samson Schwabe in Dessau gekommen, den er in einer Krankheit gewartet hat und bei dem er wiederum 6–7 Wochen geblieben ist. Dieser versichert, daß er, wenn er nicht betrunken gewesen, sich gut und sehr vernünftig betragen und nie Ursache gegeben habe, an seinen gesunden Verstandeskräften zu zweifeln, daß er aber den Trunk in hohem Grade geliebt habe, und daß die gegen ihn, als er ihm in einer solchen Periode hoher Trunkenheit alles verkehrt gemacht habe, gebrauchte Aeusserung: Kerl, du bist verrückt und weißt es nicht; sich blos auf seinen trunkenen Zustand, keineswegs auf eigentliche Verstandeszerrüttung beziehe.

3) Vom Februar 1819 bis zu Johannis 1820 bei der Stiefmutter der Woostin, der Wittwe Knoblochin in dem Hause des Gelbgießers Warnecke, in welchem dessen Pachter Jordan eine Schenkwirthschaft treibt; wo er bald auf den Wollboden des Herrn Knobloch gearbeitet, bald auf Empfehlung der Knoblochin bei dem Buchbinder Wehner in Volkmarsdorf Papparbeit gemacht, bald für den Buchhändler Klein illuminirt, auch während dieser Zeit dem Buchhalter Herrn Lang und dem Hrn. M. Gebhard, ingleichen während der Messe den Fremden Benedix bedient hat. Nach dem Zeugnisse dieser Person und namentlich Warneckes, Jordans, Wehners, Hrn. Langs und Hrn. M. Gebhards hat er sich auch in dieser Zeit sehr verständig, still und bescheiden betragen, die ihm ertheilten Aufträge zu ihrer Zufriedenheit besorgt, auch keine Merkmale von Tiefsinn oder Verstandesverrückung, und überhaupt nichts auffallendes in seinem Benehmen blicken lassen. Mehrere derselben, nämlich Warnecke und Wehner, haben bemerkt, daß er den Branntwein geliebt und manchmal zu viel getrunken habe, auch hat die Knoblochin darüber gegen Jordan geklagt.

Letztere sagt übrigens, daß Woyzeck mit ihrer Tochter Umgang gehabt, aber wegen ihres häufigen Umganges mit Soldaten Eifersucht gefaßt, die Woostin mehreremale gemißhandelt und so viel Lärm und Unruhe gemacht habe, daß sie ihm auf Warneckes Verlangen das Logis aufsagen müssen. Den Vorfall, der hierzu Veranlaßung gegeben hat, erzählt Warnecke folgendermaßen: Er, Warnecke, habe einstmals zu Woyzecken in der Jordanschen Schenkwirthschaft gesagt: Hier, Woyzeck, Mordhahn, willst du ein Glas Schnaps trinken? Woyzeck aber ihm hierauf eine pöbelhafte Antwort gegeben, und als er selbst sich hierauf bestürzt gegen Jordan gewendet, mit den Worten: der Kerl pfeift dunkelblau, sich entfernt. Als nun hierauf Warnecke der Knoblochin habe sagen lassen, sie müsse ausziehen, wenn sie Woyzeck nicht fortschaffe,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_497.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)