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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821].
In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, Hamburg 1967.

nach dem Exerciren zum Feldwebel gesagt: Wenn der Kerl Blutspeien kriegt, so melden Sie mirs gleich, und es sey ihm gewesen, als ob er ihn dabei angesehen habe. Es könne aber auch ein anderer gemeint gewesen seyn. Dennoch habe er sich darüber gewaltig beunruhigt, sey gleich nach dem Exerciren bei großer Hitze ins Freie gelaufen und habe hier dreimal ein Zittern am Herzen verspürt, als ob eine Flüssigkeit in einem Fläschchen auf und nieder geschüttelt werde, gleich nachher aber einen Schlag im Nacken empfunden und dabei ein Zischen gehört. Dieses habe er nun mit seiner Meinung, daß die Freimaurer durch heimliche Künste schaden könnten, in Verbindung gebracht und geglaubt, der Augenblick ihrer Rache sey nun gekommen. Er habe aber immer fortgebetet und gedacht: sie sollen dir doch nichts anhaben. Jetzt glaube er von allem diesen nichts mehr, und bedaure es, daß er sich so viele Unruhe darüber gemacht habe.

Was nun seine einzelnen Visionen, besonders diejenigen, von denen in den Akten Erwähnung geschieht, anlangt, so erzählte er mir mit vieler Umständlichkeit folgendes:


1) Ueber den Vorfall in Stettin

Es habe ihm einst von einem Geiste geträumt, den er in der Kleidung eines Mönchs gesehen. Sechs Tage nachher als er an einem Sonntag Nachmittags mit seinem Kameraden allein zu Hause und die Hausthür verschlossen gewesen sey, hätten sie beide Fußtritte vor dem Zimmer gehört. Es sey dann auf den Boden gegangen, und nicht wieder herunter gekommen, und er habe deßhalb geglaubt, es sey ein Geist, sich auch bis Abends nicht getraut aus dem Zimmer zu gehen, um nachzusehen, was es wäre! –


2) Ueber den Vorfall am Schloßberge in Graudenz

Er sey einst im October Abends, ungefähr um sieben Uhr, aus der Festung Graudenz nach der eine halbe Stunde davon entlegenen Stadt gegangen, und habe da am Himmel drei feurige Streifen gesehen, die nachher wieder verschwunden seyen. Als er sich umgesehen, habe er an der entgegengesetzten Seite des Himmels einen einzelnen ähnlichen Streifen gesehen, und dabei Glockengeläute gehört, was ihm unterirdisch geschienen hätte. Weil er sich nun damals immer noch mit dem Gedanken an die Freimaurer beschäftiget und geglaubt habe, daß ihm schon einmal durch die drei feurigen Gesichter hierüber eine Offenbarung zu Theil geworden sey, so habe er sich eingebildet, daß dieses wohl ähnliche Beziehung haben könne, und daß wohl die Freimaurer ihr Zeichen verändert, und ein anderes gewählt haben möchten, worauf

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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_511.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)