Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 009.jpg

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Clavigo. Sieh, ich begreife den Menschen nicht. Ich liebte sie warlich, sie zog mich an, sie hielte mich, und wie ich zu ihren Füssen sas, schwur ich ihr, schwur ich mir, daß es ewig so gehen sollte, daß ich der Ihrige seyn wollte, so bald ich ein Amt hätte, einen Stand – Und nun, Carlos!

Carlos. Es wird noch Zeit genug seyn, wenn du ein gemachter Mann bist, wenn du dich zu dem erwünschten Ziele aufgeschwungen hast, daß du alsdann, um all dein Glük zu frönen und zu befestigen, dich mit einem angesehenen und reichen Hause durch eine kluge Heurath zu verbinden suchst.

Clavigo. Sie ist verschwunden! Glatt aus meinem Herzen verschwunden, und wenn mir [i]hr Unglück nicht manchmal durch durch den Kopf führe – Daß man so veränderlich ist!

Carlos. Wenn man beständig wäre, wollt ich mich verwundern. Sieh doch, verändert sich nicht alles in der Welt, warum sollten unsere Leidenschaften bleiben. Sey du ruhig, sie ist nicht das erste verlaßne Mädchen, und nicht das erste, das sich getröstet hat. Wenn ich dir rathen soll, da ist die junge Wittwe gegen über –

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_009.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2019)