Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 065.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kleinen, hohläugigen Französin, der die Auszehrung aus allen Gliedern spricht, wenn sie gleich ihre Todtenfarbe mit weis und roth überpinselt hat. O Bruder, ich werde rasend, ich laufe davon, wenn mich nun die Leute zu packen kriegen, und fragen und quästioniren, und nicht begreifen können –

Clavigo. (ihn bey der Hand fassend) Mein Freund, mein Bruder, ich bin in einer schröcklichen Lage. Ich sage dir, ich gestehe dir, ich erschrack, als ich Marien wiedersah! Wie entstellt sie ist, – wie bleich, abgezehrt. O das ist mein, meine Schuld, meiner Verrätherey! –

Carlos. Possen! Grillen! Sie hatte die Schwindsucht, da dein Roman noch sehr im Gange war. Ich sagte dir’s tausendmal, und – aber, ihr Liebhaber habt keine Augen, keine Nasen. Clavigo, es ist schändlich! so alles, alles zu vergessen, eine kranke Frau, die dir die Pest unter deine Nachkommenschaft bringen wird, daß alle deine Kinder und Enkel so in gewissen Jahren höflich ausgehen, wie Bettlerslämpgen. – Ein Mann, der Stammvater einer Familie sein könnte, die vielleicht künftig – Ich werde noch närrisch, der Kopf vergeht mir.

Clavigo. Carlos, was soll ich dir sagen als ich sie wiedersah; im ersten Taumel flog

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_065.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)