Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 069.jpg

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– Ich will alles bey Seite setzen und will sagen, die Zunge steht inne, es kommt auf deinen Entschluß an, welche von beyden Schaalen den Ausschlag haben soll! Gut! Aber entschließe dich. – Es ist nichts erbärmlicher in der Welt, als ein unentschlossener Mensch, der zwischen zween Empfindungen schwebt, gern beyde vereinigen möchte, und nicht begreift, daß keine andere Vereinigung ihrer möglich ist, als eben der Zweifel, die Unruhe, die ihn peinigen. Auf, und gieb Marien deine Hand, handle als ein ehrlicher Kerl, der das Glück seines Lebens seinen Worten aufopfert, der es für seine Pflicht achtet, was er verdorben hat, wieder gut zu machen, der auch den Kreis seiner Leidenschaften und Würksamkeit nie weiter ausgebreitet hat, als daß er im Stande ist, alles wieder gut zu machen, was er verdorben hat: und so genieße das Glück einer ruhigen Beschränkung, den Beyfall eines bedächtigen Gewissens und alle Seligkeit, die denen Menschen gewährt ist, die im Stande sind, sich ihr eigen Glück und die Freuden der Ihrigen zu machen – Entschließe dich, so will ich sagen, du bist ein ganzer Kerl –

Clavigo. Einen Funken, Carlos, deiner Stärke, deines Muths

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_069.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)