Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 090.jpg

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ich das Ende meiner Verräthereyen ahndungsweise erkennen soll. – Noch ist es Zeit! Noch! – Ich bebe, mein Herz zerfließt in Schauer! Nein! Nein! du sollst nicht sterben. Ich komme! Ich komme! – Verschwindet, Geister der Nacht, die ihr euch mit ängstlichen Schrecknissen mir in Weg stellt – (er geht auf sie los) Verschwindet! – Sie stehen! Ha! sie sehen sich nach mir um! Weh! Weh mir! es sind Menschen wie ich. – Es ist wahr – Wahr – Kannst du’s fassen! – Sie ist todt – Es ergreift mich mit allem Schauer der Nacht das Gefühl, sie ist todt! Da liegt sie, die Blume, zu deinen Füßen – und du – Erbarme dich meiner, Gott im Himmel, ich habe sie nicht getödtet! – Verbergt euch, Sterne, schaut nicht hernieder, ihr, die ihr so oft den Missethäter saht in dem Gefühl des innigsten Glücks diese Schwelle verlassen; durch eben diese Straße mit Saitenspiel und Gesang in goldenen Phantasien hinschweben, und sein am heimlichen Gegitter lauschendes Mädchen mit wonnevollen Erwartungen entzünden. – Und du füllst nun das Haus mit Wehklagen und Jammer! und diesen Schauplatz deines Glückes mit Grabegesang! – Marie! Marie! nimm mich mit dir! nimm mich mit dir!

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_090.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)