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Loggia III.


Cimabue.




Diese Loggia ist dem Cimabue gewidmet, von welchem Vasari sagt, dass „nachdem in Italien durch die Verheerungen im Mittelalter alle Kunstdenkmäler zerstört waren, und – was noch schlimmer – es gar keine Künstler mehr gab, im Jahre 1240 in der edeln Familie Cimabue (Gualtieri) Giovanni Cimabue geboren wurde, der nach dem Willen Gottes das erste Licht in der Kunst der Malerei wieder erwecken sollte.“

Dieser poetischen Auffassung tritt die Geschichte mit der beglaubigten Nachricht von verschiedenen beachtungswerthen Vorgängern Cimabues entgegen, unter denen namentlich Coppo di Marcovaldo hervorragt. Aber auch Giunta von Pisa, Dietisalvi von Siena, Bonaventura Berlinghieri von Lucca u. A. m. sind zu nennen, die Mosaicisten in Venedig, Parma, Florenz, Rom etc. gar nicht zu erwähnen.

Wo nun Cimabue seine Kunstbildung gewonnen, lässt sich nicht feststellen. Nur das geht aus seinen Gemälden unabweislich hervor, dass er die aus Byzanz nach Italien verpflanzte, streng kirchliche Kunstweise nebst der damit verbundenen Malertechnik zum Vorbild genommen; dass er aber dem durch und durch conventionellen Styl mit Hülfe eingehender Naturstudien mehr Leben und Wahrheit gegeben.

So kann man denn auch mit Cornelius in der

Kuppel (Tafel 5)

der Erzählung Vasaris folgen, wenn man sie nicht zu wörtlich nimmt: „dass Giovanni Cimabue (dessen vermeintliches Bildniss, nach einem Frescobild in der Spanischen Capelle von S. Maria novella zu Florenz, die Mitte der Kuppel einnimmt) als Knabe, statt in die Schule zu gehen, dem angeborenen Kunsttrieb folgend bei griechischen Malern sich aufgehalten, um ihnen zuzusehen, wie sie eine Capelle mit heiligen Gestalten ausmalten; und wie dann sein Vater seinen dringenden Bitten nach, und ihn zu diesen griechischen Malern in die Lehre gegeben.

Für seine weitere Entwickelung gibt uns Cornelius ein Bilder-Räthsel. Versuchen wir dessen Lösung!

In dem einen Felde sehen wir eine Eule, im andern ein Taubenpaar; näher doch deutet der schlafende Traumgott unter der Eule auf die Nacht, der wache Genius auf der andern Seite auf den Tag. An beiden Seiten sehen wir dasselbe liebende Paar, den Jüngling geflügelt, das Mädchen nicht; in zärtlicher Umarmung das eine; beim anderen das Mädchen wider ihren Willen festgehalten vom Jüngling; der Greif, auf dem sie sitzen, auf der einen Seite durch einen nächtlichen Genius gestreichelt, auf der anderen von einem Tagesgenius fortgerissen. Cornelius hat uns keine Lösung des Räthsels zurückgelassen. Soll die Geschichte sie geben, so müssen wir uns erinnern, dass bis in die Zeiten Cimabues die italienische Kunst in der engsten Verbindung mit der byzantinischen stand, sowie dass sie durch Cimabue die ersten Befreiungsversuche erlebte; ein Fortgang von Nacht und Tag, vom Träumen zum Denken, von Unfreiheit zur Selbständigkeit.

Noch deutlicher führt Cornelius diesen Gedanken in der

Lunette (Tafel 6)

aus, wo rechts die Nacht mit ihren Kindern, dem Schlaf und dem Tod, der

Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)