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Loggia VI.


Masaccio da San Giovanni.




Giotto hatte der italienischen Kunst mit dem auf die Wirklichkeit gerichteten Blick neues Leben, eine neue und eigenthümliche Sprache gegeben. Fra Giovanni da Fiesole hatte sie, die Augen auf den Himmel gerichtet, dem Erdenleben entrückt, und fast aller Körperlichkeit entkleidet, so dass seine Gestalten nur verklärte Träger von Seelen waren. So wenig die Kunst ohne Theilnahme an seinen Bestrebungen wahren Werth erhalten haben würde, so wenig hätte sie ausschliesslich auf seinem Wege das Ziel der Vollkommenheit erreichen können. Ohne Uebereinstimmung mit den Gesetzen der Natur und den Erscheinungen der Wirklichkeit musste ihr die Lebendigkeit fehlen, welche ihr dauernde Wirksamkeit verbürgt. Die Lösung dieser Aufgabe war dem Masaccio beschieden.

Masaccio war der Sohn des Notars Ser Giovanni di Mone aus der Familie der Guidi della Scheggia zu S. Giovanni im Val d’Arno, geboren 1402. 1421 wurde er unter die Maler in Florenz eingeschrieben, und ist 1429 oder 1430, wahrscheinlich in Rom, gestorben.

Unter den Verdiensten um die Weiterbildung der Malerei hebt Vasari vornehmlich hervor: „dass er den Gestalten und Gegenständen eine eigenthümliche und natürliche Rundung gegeben, was bis auf ihn kein Maler gethan hatte.“ Es ist bekannt, dass dies nur durch klare und consequente Scheidung von Licht und Schatten bewirkt wird, was Cornelius in der

Kuppel (Tafel 11)

durch die allegorischen schwebenden Gestalten der Nacht mit ihren Kindern Tod und Schlaf (für den Schatten), und des Tages mit vorausfliegendem Morgenstern (für das Licht) ausgedrückt hat.

„In Rom, – erzählt Vasari – gelangte Masaccio zu grossem Ruhm und malte für den Cardinal von S. Clemente, in einer Capelle der Kirche S. Clemente, die Passion Christi, dabei die Schächer am Kreuz und Begebenheiten aus dem Leben der heiligen Märtyrin Katharina.“ Cornelius stellt uns den Künstler vor, wie er seine Entwürfe zu den Fresken der Capelle dem Cardinal von S. Clemente zur Genehmigung zeigt, bei welcher Gelegenheit ein Schreiber beschäftigt scheint, einen Vertrag mit dem Künstler abzufassen.

Wir haben keine Gewissheit, ob die Fresken in S. Clemente in Rom von Masaccio sind, oder nicht. Gewiss ist, dass sie mit seinen unzweifelhaften Werken in Florenz im Styl nicht übereinstimmen. Diese haben wir in der Kirche der Carmeliter und zwar in der dem heiligen Petrus gewidmeten Capella Brancacci zu suchen. Die Deckenbilder derselben, die Vasari noch gesehen, existiren nicht mehr; die Wandgemälde sind theils von Masaccio, theils von Masolino und von Filippino Lippi.[1]

Das besterhaltene und auch vorzüglichste Gemälde Masaccios in der Capelle ist: Christus am Zollhause bei Tiberias. Er ist von seinen Aposteln begleitet und Masaccio hat in ihrer Charakteristik den ganzen Ernst und die Energie seiner Auffassungs- und Darstellweise entwickelt; wesshalb auch Cornelius die zwölf Apostel in einzelnen Feldern der Kuppel abgebildet hat.


  1. Ausführliche Angabe über dieselben in E. Försters Geschichte der ital. Kunst, III, p. 156 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)