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Loggia VII.


Pietro Perugino.




Unter wissenschaftlichen und Naturstudien hatte die Kunst in Toscana grosse und bewundernswürdige Fortschritte gemacht, war aber nicht ganz vor der Gefahr bewahrt geblieben, über der Freude an den Reizen des wirklichen Lebens und an gelungener Nachahmung der Natur die höheren Zwecke der Kunst, vornehmlich ihren religiösen Charakter aus den Augen zu verlieren. Hing diese vorzugweis weltliche Richtung mit dem wiedererwachten Interesse an der Literatur und Kunst des Alterthums zusammen, so mochte sich in Gegenden, wohin dieses Interesse noch nicht gedrungen, die Kunst leichter und sicherer noch in der überlieferten Richtung und dennoch nach Zielen der Vollendung fortbewegen. Diese Aufgabe ward der umbrischen Malerschule zu Theil, und vor Allen ihrem grössten Meister, Perugino, dessen Bildniss der Kranz in der Mitte der

Kuppel (Tafel 13)

einfasst. Pietro Vannucci war der Sohn eines armen Bürgers in Cittá della Piève, Cristofano Vannucci, geboren 1446. Seine Bildungsgeschichte ist unbekannt. Seine frühesten Arbeiten, die aber bereits in sein dreissigstes Jahr und später fallen, tragen das Gepräge der damaligen florentinischen Malerschule, von der er sich plötzlich und dann mit Entschiedenheit für immer losgesagt hat, um einer eigenen Weise zu folgen, die sich vornehmlich in streng kirchlicher Auffassung, architektonischer Anordnung, weicherer Formenbildung, tiefer, warmer, harmonischer Färbung, und schwärmerisch religiöser bis zur Kopfhängerei gesteigerten Darstellung auszeichnete. Bevor diese Eigenschaften ihm zu einer Art handwerksmässiger Gewohnheit geworden, schuf er Werke, die zu den schönsten Denkmalen italienischer Malerei zu rechnen sind und die den grossen Ruhm rechtfertigen, dessen er sich bei seinen Zeitgenossen erfreute, und der alle Zeiten überdauert hat.

Die Eigenschaften, durch welche die Kunst Peruginos ihren grossen und dauernden Einfluss gewonnen, bezeichnet Cornelius durch vier allegorische Bilder: das sinnig beschauliche Leben, Contemplatio; die opferbereite, seelenhafte Frömmigkeit, Pietas; die aller irdischen Liebe bare Keuschheit, Castitas; die sonnenklare, unverhüllte Wahrheit, Veritas.

Aus den diese Bilder umkränzenden Arabesken wachsen Blumensäulen empor, die den Statuetten einzelner Zeitgenossen und Schüler Peruginos zum Fussgestell dienen: dem Benedetto Bonfigli, geboren um 1420, gestorben um 1496, von dem man glaubt, dass er der erste Lehrmeister Peruginos gewesen; Bernardino Pinturicchio,geboren 1454, gestorben 1513; ein Zeitgenosse aber kein Schüler Vannuccis Giovanni lo Spagna, der zweitbedeutendste Schüler Peruginos, arbeitete schon zu Anfang 1500 bis 1533; Sinibaldo Ibi, einer der schwächsten aus der Schule, dessen bekannte Gemälde von 1507 bis 1528 reichen.

Das Bild der

Lunette (Tafel 14)

stellt den Meister Perugino in einer Handlung dar, die fast mehr zu seiner Unsterblichkeit beigetragen hat, als seine herrlichsten Kunstschöpfungen, er unterrichtet einen Knaben im Malen, und dieser Knabe war der „Fortunato garzon’“, Raffaello d’Urbino.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)