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Loggia X.


Antonio Allegri gen. Correggio.




Um den Höhepunkt der geschichtlichen Entwickelung für Tizian, Michel Angelo und Raphael gesichert zu halten, greift Cornelius derselben in der zehnten Loggia vor und widmet sie dem Grössten nach ihnen:

Antonio Allegri, geb. 1494 zu Correggio im Modenesischen, Sohn des Pellegrino Allegri gen. Domano, und der Bernardina Piazzoli (auch Aromanni). Wem er seine Kunstbildung verdankt, ist nicht mit Sicherheit anzugeben; wenn, wie man sagt, Mantegna und Leonardo seine Vorbilder gewesen, so hat er wenig von ihnen angenommen und zeigt schon in seinen frühesten Werken, zu denen die Madonna des h. Franciscus vom 30. August 1514, jetzt in der Dresdener Gallerie, gehört, eine selbständige, durch und durch eigenthümliche Richtung seines reichen umfassenden Talentes, das ihn – bekanntermassen selbst Raphael gegenüber – im stolzen Selbstbewusstsein sagen lassen konnte: „Anch’io sono pittore!“ Beide Aeltern überlebten ihn; er starb am 5. März 1534 in Correggio.

Die Universalität seines Talents, der zufolge ihm alle Elemente zu Gebote standen, hat Cornelius in vier Bildern der

Kuppel (Tafel 19)

bezeichnet, in denen er das Feuer durch einen Genius mit dem Adler des Jupiter darstellte, das Wasser durch einen zweiten auf dem schwimmenden Delphin, die Erde durch einen dritten auf dem König der Wüste, dem Löwen, und endlich die Luft durch einen vierten mit dem Vogel der Juno, dem Pfau. Arabeskenfelder scheiden diese Bilder von einander; aber ein doppelter Kranz von Ornamenten fasst das Rundbild der Decke ein, in welchem Correggio, von Schülern und Freunden umgeben, mit der Ausführung eines Gemäldes beschäftigt ist.

Wie viele und wie grosse Werke hat Correggio in den 20 Jahren, die ihm für seine Kunstthätigkeit vergönnt gewesen, in Oel und Fresco ausgeführt! Ich erinnere nur an die Madonnen des h. Franz, Sebastian und Georg, an die Nacht und die h. Magdalena in Dresden, an die Leda und Jo in Berlin, den Ganymed in Wien, an den Traum der Antiope und die Vermählung der h. Katharina im Louvre, an die Danae in der Galerie Borghese zu Rom, an die Freude Maria’s über das heilige Kind in der Tribune der Uffizien zu Florenz, an die Vermählung der h. Katharina in Neapel, an die Madonna della Scodella und an jene des Hieronymus; an die Fresken im Dom, in S. Giovanni und im Kloster S. Paolo zu Parma.

Was alle diese Werke und viele andere, die ich unberührt lasse, rühmlich auszeichnet, soll in den Bildern der

Lunette (Tafel 20)

angedeutet sein. Ob er im kleinen Raume nur eine Figur darzustellen hatte, oder ein ganzes Kuppelgewölbe mit Heiligen und Engeln zu erfüllen – im Grossen wie im Kleinen ward alles durch eine harmonische Stimmung verbunden, wie sie in der Schwesterkunst der Musik Cäcilia den heiligen Gesängen mit Begleitung der von ihr erfundenen Orgel in erhebender Kraft und Vollkommenheit gegeben.

Die kirchlich religiöse Kunst war durch Tradition und Gewohnheit so beschränkt, dass sie mit der fortgeschrittenen allgemeinen Bildung nicht mehr übereinstimmte. Der feierliche Ernst der Altarbilder hatte bei der stets sich gleichbleibenden Wiederholung die überzeugende Kraft verloren und je lebenswahrer die Heiligen von der Kunst dargestellt wurden, um so natürlicher regte sich das Verlangen, sie aus dem ausschliesslichen Sonntags-Kirchendienst

Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/43&oldid=- (Version vom 31.7.2018)