Seite:Cornelius Loggien-Bilder München.pdf/48

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wie Vasari erzählt) zu Meister Pietro von Perugia in die Lehre gebracht wird; wie er rasch sich entfaltet und von Bramante, dem Baumeister des Papstes Julius, Sr. Heiligkeit empfohlen, demselben seine ersten Entwürfe für eine Stanze im Vatican zeigt; und endlich, wie er sehr bald eine Anzahl Schüler und Gehülfen um sich versammelt, die, indem sie ihm bei der Ausführung seiner vielen Aufträge dienen, seine Kunstweise sich aneignen.

Der Gegenstand, welchem Raphael von allen den Vorzug gab, und in dessen Behandlung er vornehmlich den Zauber seines Talentes, die ganze Fülle göttlicher Schönheit und heiliger Anmuth offenbarte, war die Madonna, ihre zarte Mutterliebe und des Kindes innige Erwiederung, in den mannigfaltigsten Ausdruckweisen, von feinster Verschiedenheit, und tiefinnerster Seelenhaftigkeit. Das Rundbild der Kuppel soll daran erinnern, wo Raphael auf einer, sein gleichnamiger Schutzengel auf der anderen Seite vor einem Madonnenbild mit einem segnenden Christkind kniet, das indess unter keiner Bedingung einen Anspruch erheben kann, auch nur zu einem unächten Bilde Raphaels die Veranlassung gegeben zu haben. Es ist sehr schwer zu erklären, wie Cornelius dazu gekommen sein mag, für Raphaels holdseligen Madonnencultus eine so armselige, ungraziöse, kopfhängerische Heilige mit einem so plumpen Kinde gewählt zu haben.

Kurz war der Erdenlauf dieses hochbeglückten Meisters: er starb an demselben Festtage, an welchem er geboren war, am Charfreitag 1520, 37 Jahre alt.

Lunette (Tafel 26)

„In dem Saale, worin er zuletzt arbeitete, erzählt Vasari, stand seine Leiche, ihm zu Häupten das Bild von der Verklärung Christi, welches er für den Cardinal von Medici vollendet hatte, und wer diess lebende Gemälde und diesen todten Körper betrachtete, dessen Seele wurde von tiefem Schmerz erschüttert. Es war kein Künstler in Rom, der ihn nicht schmerzlich beweinte. Viele Trauer brachte sein Tod dem ganzen päpstlichen Hofe; der Papst (Leo X.) hatte ihn so sehr geliebt, dass sein Verlust ihn bitterlich weinen machte. – Wohl konnte beim Tode dieses edeln Künstlers auch die Malerei sterben; denn als er die Augen schloss, blieb sie fast blind zurück. – Er war es, der Ausführung, Farben und Erfindung vereint zu einem Grade der Vollkommenheit brachte, welchen man kaum erreicht zu sehen hoffen durfte, und kein Geist achte für möglich, dass er ihn je übertreffen könne!“

Mit dem Ausdruck seliger Ruhe liegt der Entschlafene auf der Bahre; das angefangene Bild der Transfiguration ist neben derselben aufgestellt; versenkt in Trauer umgeben die Schüler und Freunde, Giulio Romano, Francesco Penni u. A. die Leiche; zu Füssen derselben steht Papst Leo mit einigen Männern seines Hofes in schmerzlicher Bewegung; aber mit laut ausbrechendem Jammer ist eine weibliche Gestalt im Begriff, auf den Todten sich zu stürzen. Raphael war verlobt mit der Nichte seines hochgestellten Gönners, des Cardinal Bibbiena, und wir könnten hier – an der Hand Vasaris – an Niemand anders denken, als an seine Braut; aber sie war vor Raphael gestorben.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)