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Loggia VIII.


Hans Holbein d. J.




Hans Holbein d. J. gehört in die erste Reihe der grossen Künstler aller Zeiten. Geboren zu Augsburg im Jahre 1497 (oder 1498) entwickelte er unter Leitung seines Vaters sehr frühzeitig sein bedeutendes Talent. Er siedelte (wahrscheinlich um 1516) nach Basel über, ging dann nach England, wo er – nachdem er wohl mehr als einmal nach Deutschland zurückgekehrt – 1554 (in London) an der Pest starb.

Die Eintheilung nebst Ornamenten und Figuren ist eine Wiederholung der italienischen Loggia VIII. Doch sind in der

Kuppel (Tafel 35)

vier Bilder dem Holbein gewidmet. Das erste bezieht sich auf seine berühmte, für den Bürgermeister Jacob Meyer gemalte Madonna, die in unseren Tagen so viel Staub unter Kunstgelehrten und Kennern aufgewirbelt hat, dass Mancher darüber vergessen hat, an ihrer hohen Schönheit sich zu erfreuen. Man streitet über das Recht der Originalität von zwei Exemplaren, von denen das eine in Dresden, das andere in Darmstadt ist. Das letztre ist kaum zweifelhaft das ursprüngliche, aber fast gänzlich übermalt; das erstere, vollkommener in der Composition eine Wiederholung, und zwar grossentheils – wie ich glaube – von Holbein selbst.

Cornelius trägt zur Entscheidung der Streitfrage nichts bei; er lässt Holbein sich in träumerisches Sinnen versenken, um das Bild der Seligsten unter den Heiligen zu finden. Da naht sie sich ihm ungesehen, umgeben von Seraphim mit dem Christuskinde, das mit seinem Segen ihn zur vollkommenen Lösung seiner Aufgabe befähigt.

Die Reise nach England war für den noch nicht berühmt gewordenen Künstler eine gewagte Unternehmung. Bekannt mit Erasmus von Rotterdam, der einflussreiche Verbindungen in London hatte, besuchte er denselben, bevor er Deutschland verliess und erhielt von ihm, (beim Abschied) ein Empfehlungsschreiben an Thomas Morus, zur Zeit Grosskanzler von England. Die Empfehlung ward gut aufgenommen und erwies sich wirksam; der Grosskanzler liess sich und seine Familie von Holbein malen; und so gelungen war das Bild, dass er Sr. Majestät den König Heinrich VIII. einlud, es zu sehen; der denn auch so grosse Freude daran hatte, dass er nicht nur selbst dem Künstler zum Bildniss sass, sondern ihn auch sonst noch vielfältig beschäftigte.

Die vier Rundbilder mit den Künstler-Gestalten haben keine Unterschrift. Die Kunstgeschichte könnte die Namen von gleichzeitigen schwäbischen Meistern einzeichnen, von Hans Holbein d. Ae., dem Vater des jüngeren Holbein, geb. um 1460, gest. 1523. – Bartholomäus Zeitblom, geb. um 1447, gest. nach 1517. – Martin Schaffner von 1508 bis 1535 thätig; und Hans Burgkmair, geb. zu Augsburg 1472, gest. 1559 (?).

Im Gedächtniss des Volkes lebt H. Holbein durch keines seiner Werke so sicher fort, als durch den Todtentanz. Er ist darum der Gegenstand der Bilder der

Lunette (Tafel 36).

Der Tod naht nicht allein den Lebensmüden, Schwachen, Kranken und Hinfälligen; er meidet sogar die Krüppel und Elenden, die Armen und Nothleidenden; er mischt sich unter das lustig tanzende Volk, und tanzt mit einer fröhlichen Dirne, mit einem übermüthigen Burschen den letzten Reigen; liebenden Paaren schleicht er nach und stiehlt dem glücklichen Bräutigam die lachende Braut; wo bei Musik und Gesang und bei Tafelfreuden die Reichen sichs wohl sein lassen, da springt er herein als ungebetener Gast und endet das Gelage. So spielt der Humor mit dem Leben!



Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/59&oldid=- (Version vom 31.7.2018)