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Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60

Unterkleid ohne Schmuck, in der Absicht, von den schöneren Gewanden Schaden abzuhalten, ein Oberkleid mit Ueberhang, welcher Zierde verträgt, und das corporale sammt der palla diese alle sollen von reiner Leinwand sein. Ueber die Gefäße gehört ein seidenes Velum von derselben Farbe wie der Umhang des Altars.

§. 11.

 Da wir von den Gewanden des Altars gesprochen und gesagt haben, daß einige von ihnen eine gemeinschaftliche Farbe je nach der Festzeit haben sollen, so wollen wir hier gleich die kirchlichen Farben und deren Anwendung auf die verschiedenen Feste benennen. Im 4. Jahrhundert war die in der Kirche herrschende Farbe das Weiß; im 12. Jahrhundert treten bereits mehrere liturgische Farben wenigstens im Abendlande hervor. Sie sind folgende:

 1. Die weiße, anzuwenden an den Festtagen des Herrn, seiner Mutter, wo diese gefeiert werden, sowie der Bekenner von beiderlei Geschlecht; auch bei der Todtenfeier kleiner Kinder ist die Kleidung des Altars die weiße als Abzeichen größerer Reinigkeit und Unschuld;

 2. die rothe, anzuwenden auf das Fest der Sendung des hl. Geistes, zur Andeutung des Feuers seiner Liebe; dieselbe Farbe wird auch für die Gedenktage der Apostel und Märtyrer angewendet;

 3. die schwarze, angewendet für den Todestag des Erlösers und für alle Tage, die ihn vorbereiten, also von Septuagesima bis zum grünen Donnerstag; desgleichen für die Adventszeit, für alle Fasttage und für die Todtenfeier;

 4. die grüne, als Symbol der christlichen Hoffnung für alle gewöhnlichen Sonn- und Feiertage des Jahres;

 5. die blaue, die aber später erst in Anwendung kam und dann in der Adventszeit und in der Septuagesima, sowie in den gefasteten Vigilien und Quatembern mit Ausnahme der von Pfingsten an die Stelle der schwarzen Farbe trat. Auch der Festtag der unschuldigen Kindlein, wenn er nicht auf einen Sonntag fällt, hatte die blaue Farbe.

§. 12.

 Da wir nun das Nötige von dem Gewande des Altars vorgetragen haben, so wollen wir noch einige kleinere Sachen anführen, welche zu diesem Kapitel gehören:

 1. Beim Crucifix, das auf keinem Altare fehlen soll, gibt es eine verschiedene Darstellung. Entweder trägt das Crucifix ganz die Gestalt des schweren Leidens Jesu, oder aber die Kreuzigung erscheint mehr als Symbol, während der ganze Leib als der des großen Siegers und Löwen aus Juda dargestellt wird. Beide Darstellungsweisen sind, wie es sich von selbst versteht, zu dulden; die beziehungsreichere ist jedoch die letztere.

 2. Was die Leuchter anlangt, so sind die gar so hohen und großen Leuchter ein Zeichen der neuesten Zeit. Die romanische Zeit liebte kleine Leuchter, deren Fuß über die Hälfte der Höhe einnahm und dreieckig war, deren Schaft sich je weiter nach oben desto mehr verjüngte, zuletzt in eine glatte Kugel ausgieng, aus welcher sich eine trichterförmige Schaale zum Auffangen des Wachses mit dem Stachel erhob, auf welchem das Wachslicht ruhte. Die gothische Zeit, deren in die Höhe strebender Charakter auch höheren Leuchtern günstig war, hat dennoch keine Leuchter geliefert, die das Maß von 2 Schuh überragt hätten. Der Fuß des Leuchters ruht auf drei Löwen oder platt auf dem Altar, verliert sich gern in die Gestalt eines Greifen; die Schaale hat oft einen Kranz. In beiden Baustylen erscheinen namentlich unterhalb der Schaale ein oder mehrere Delphine, wie denn die Kirche auch größere Standleuchter gehabt und noch hat, welche ganz und gar aus Delphingestalten zusammengesetzt waren und sind, von denen die Lichterschaalen getragen werden. Das Material der Leuchter ist für gewöhnlich Messing, für Feste Silber oder Gold. Die Leuchter sollen im Verhältnis zum Crucifix so sein, daß die Gestalt des Gekreuzigten über die zunächst stehenden Leuchter hinaussieht. Die Kirche hat auch je und je den siebenarmigen Leuchter geliebt mit seiner herlichen Deutung auf die 7 Lampen und Geister Gottes. Brennmaterial ist und bleibt für die Kirche entweder Wachs oder reines Olivenöl.

 3. Der hl. Augustinus erzählt, daß die Jungfrauen zu Hippo bei festlichen Gelegenheiten den Altar mit Blumen bestreut und in die Verzierung des Altars Blumen eingeflochten hätten; das wurde stehende Sitte der Kirche, die frischen Blumen fehlten dem Altare nicht. Als aber der Eifer für den Altar des Herrn und damit auch für seine Zier aufhörte, setzte die Kirche an die Stelle der lebenden Blume die todten. In der neuern Zeit haben sich in England Vereine von Frauen und Jungfrauen gebildet, um die Altäre mit immer frischen Blumen und Gewächsen zu verzieren, und man hat es begünstigt, weil auch dadurch der Kunstsinn geheiligt wurde.

 4. Auf den Altar gehört ein Evangelienbuch und die Agende. Das Evangelienbuch und die Agende sollte auf starkes, schönes Papier mit mächtigem Druck gefertigt in starkem Deckel mit Schließen gebunden sein. Das ganze Buch ist so einzurichten, daß der Pfarrer es nicht in die Hand nehmen müße, denn in die Hand des Pfarrers gehört nichts, sondern daß er auch mit altem und blödem Auge ganz ohne Beschwernis lesen könne. In das Buch gehört ein Register mit Schnüren von verschiedener Farbe, und zwar für das Evangelienbuch mit zwei Schnüren, für die Agende aber mit ebensoviel Schnüren als sie Hauptteile und Handlungen hat. Auf die Außenseite der Bücher hat die alte Kirche die gröste Pracht gewendet; die Deckel waren mit Gemälden, mit goldenen und silbernen Platten, mit Elfenbein etc. verziert, und ebenso war der gröste Fleiß und die gröste Kunst auf die Sperren und Schließen gewendet. Weil die Bücher so kostbar waren, so lagen sie in der Regel auf einem kostbaren Tuche, mit welchem sie gefaßt wurden, das Tuch selber aber mit dem Buche lag auf einem Kissen oder Pulte. Das Kissen muste natürlich hart gepolstert sein, war in der Regel ein Kunstwerk weiblicher Hände und trug etwa auch eine

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60. Druck in Commission der C. H. Beck’schen Buchhandlung, Nördlingen 1859, 1960, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Correspondenzblatt_der_Diaconissen_von_Neuendettelsau_Bd02_1859.pdf/15&oldid=- (Version vom 28.8.2016)