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Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60

sich sehr leicht helfen, da man das Orgelwerk teilen, oder in compendiöser Weise auf kleinen Raum zusammenstellen kann, auch wenn es groß ist.

§. 26.

 Die Kirchenthüre ist von den alten Zeiten her als ein Symbol Christi genommen worden, der da spricht: „Ich bin die Thüre zu den Schafen.“ Bedeutet nun die ganze Thüre Christum, so bedeuten die beiden Flügel das alte und neue Testament. Diese Gedanken wurden von der alten Kirche auf das künstlichste ausgeführt, und der Schmuck über und an den Thüren darnach geordnet. Auf alle Fälle ist darauf zu dringen, daß die Kirchenthüren solid, wenn nicht mit beßern, doch mit eisernen Blechen beschlagen, leicht und fest zu verschließen seien. Namentlich aber gilt dies von der Hauptpforte der Kirche, die ihrer Idee und Lage nach viel Schmuck verträgt, auch den Blumenschmuck, den Frauen zu geben wißen.

§. 27.

 Der Taufstein soll da, wo es keine eignen Baptisterien gibt, im Vorhof der Kirche, und zwar im mitternächtlichen Teile derselben stehen. Er steht eingefaßt von einem Gitterwerke, innerhalb dessen alle zur Taufe gehörigen Personen Platz haben. Der Raum, auf welchem er steht, ist um eine Stufe höher als der Boden der Kirche. Früherhin pflegte er 3–4 Stufen tiefer zu sein, um die Aehnlichkeit mit dem Grabe darzustellen, in welches der alte Mensch durch die Taufe steigt. Der Taufstein selbst hatte ehedem die Form eines hohlen Cylinders, späterhin, da man nicht mehr untertauchte, sondern bloß begoß und besprengte, nahm sein oberer Teil mehr die Gestalt des Bechers an. Im Laufe der Zeiten bekam er eine Form, die gleich der der Kanzel streng geometrisch ist, vom Achteck ausgeht oder auch vom Sechseck, in welchem sich alsdann Basis, Schaft und Kelch vollendet. Er soll von einem Steine sein, der nicht porös ist, und enthält bei den Römischen so viel Waßer, als man das ganze Jahr über für Taufen braucht. In der Nähe des Taufsteins soll nach römischem Brauch eine Piscina oder ein Sacrarium sein, d. i. eine entweder im Boden oder in der Mauer mit einem Abzugsloch versehene Vertiefung. Da nimmt nun der Priester mit einem Gefäße, welches dazu vorhanden ist, aus dem Waßervorrath das Nöthigste; während er aufschüttet, wird ein Becken untergehalten und nach der Taufe das im Becken gesammelte abgefloßene Taufwaßer in die Piscina geschüttet. Hie und da ist unter der Basis des Taufsteines selber eine kleine Cisterne angebracht, die anstatt der Piscina dient. Der Kelch des Taufsteins ist dann so eingerichtet, daß in der Mitte desselben ein verschließbarer Behälter das jährliche Waßerquantum, der Raum ringsum aber noch so groß ist, daß man darüber taufen kann. Da wird alsdann kein Becken untergehalten, sondern das Waßer fließt durch einen im Schaft des Taufsteins angebrachten Canal in die Cisterne unter dem Taufstein. Der Taufstein hat einen, mit einem Schloß versehenen festen Deckel, zu welchem niemand als der Pfarrer den Schlüßel haben darf. Ueber diesem Deckel erhebt sich erst der zur Zierde angebrachte Deckel, welcher auf seiner Höhe in der Regel die Gestalt des Täufers Johannes hat und durch eine Art von umhülltem Flaschenzug während der Handlung in die Höhe gezogen werden kann, so daß er wie eine Krone über dem Taufstein schwebt. Soll der Taufstein eine Hülle haben, so geziemt sich hiezu weiße Seide. Aus dem allen können auch wir lernen. Auch wir wißen keinen beßern Ort für den Taufstein, als den angegebenen, auch wir müßen ihn umgittern, in die angegebene Höhe oder Tiefe stellen, und wenn unser Taufstein auch keinen verschließbaren Deckel bedarf, weil er außerhalb der Taufhandlung kein geweihtes Waßer enthält: so werden wir doch jedem Misbrauch des Taufwaßers am sichersten durch die Piscina oder noch beßer durch die Cisterne unter dem Taufstein zuvorkommen. Auch den Deckel werden wir nicht schöner faßen und zieren können.

§. 28.

 Eine schöne Sitte nicht bloß der römischen, sondern auch der ältern lutherischen Kirche ist das Westerhemd, das Bild der Gerechtigkeit Christi, welche der Täufling durch seine Taufe bekommt. Das Kind wurde nemlich bei unsern Vorfahren ausgekleidet auf den linken Arm des Pfarrers gelegt, der selbst wieder durch ein weißes Tuch gegen das Naßwerden durchs Taufwaßer geschützt war. Mit der rechten Hand faßte der Pfarrer das Gefäß mit dem Taufwaßer und übergoß das Kind. Nach der Taufe nahm der Pathe das Kind vom Arm des Täufers, und der Pfarrer hüllte es in das Westerhemd, welches er ihm mit einem geziemenden Wunsche und Gebete reichte. Das Westerhemd gaben die Pathen oder konnten es wenigstens thun, und man hob es dem Kind zum Zeichen und Andenken seiner Taufe auf.

§. 29.

 Zu den hl. Orten der Christenheit gehört auch das Cömeterium oder Gottesacker. Die älteste Sitte bringt es mit sich, daß der Gottesacker außerhalb der Gemeinden angelegt sei; es ist spätere Sitte, innerhalb der Gemeinde um die Pfarrkirche her die Todten zu begraben. Zwar ist es eine thörichte Furcht, sich vor Verpestung der Luft durch Gottesäcker zu fürchten, die innerhalb der Gemeinden angelegt sind, da man so viele hundert Jahre zu solcher Furcht keinen Grund fand, und umgekehrt ist es ein schöner und lieblicher Gedanke, die Leiber der Christen in Mitte der Lebendigen und um das Heiligtum her ruhen zu laßen: dennoch aber fühlt es sich bald heraus, wie viel schicklicher die Begräbnisstätte außerhalb der Gemeinden angebracht wird. Ein Gotteshaus für den Gottesacker ist etwas ganz anderes, als der Gottesacker um die Pfarrkirche her.

§. 30.

 Der Gottesacker soll umzäunt oder beßer mit einer guten Mauer umgeben sein, die es verträgt, daß man in sie Epitaphien einlaße und an ihr Säulengänge, auch wohl Kapellen anbringe. Der ganze Raum soll mit einem Kreuzgange überlegt sein, der keiner Deutung bedarf. In der Mitte des Kirchhofs von

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60. Druck in Commission der C. H. Beck’schen Buchhandlung, Nördlingen 1859, 1960, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Correspondenzblatt_der_Diaconissen_von_Neuendettelsau_Bd02_1859.pdf/30&oldid=- (Version vom 4.9.2016)