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Marsch nach Rubielos de Mora. Bei Nennung dieses Orts ist mir eine schauderhafte Geschichte erinnerlich, die sich kurze Zeit vor unserm Einmarsche in dem Hause zugetragen haben soll, welches ich den Abend bewohnte. Ich gebe sie wieder, wie sie von allen Einwohnern, unter beständigen Verwünschungen, uns zum Ueberdruß erzählt ward. Eine feindliche Colonne war in Rubielos eingerückt, angeblich die Espartéro’s, der die Provinzen verlassen hatte, und sich im Niedern Aragon mit den Colonnen von Oráa und Buerens vereinen wollte. Der Mangel an Lebensmittel soll furchtbar gewesen sein, und die Soldaten konnten nicht rationirt werden. Alle männlichen Einwohner des Orts waren geflohen, nur die Weiber und Kinder zurückgeblieben. Da sollen, unter Drohungen, einige Soldaten eine arme Frau gezwungen haben auszugehen, um wenigstens zu trachten, einige Wurzeln oder Feldfrüchte aufzutreiben. Als sie zurückkam, waren ihre Gäste um einen dampfenden Kessel beschäftigt, und erst als der Inhalt verzehrt, und die Soldaten abmarschirt, gewahrte die Unglückliche an den, in einem Misthaufen verborgenen, Überresten, daß die Kanibalen ihr kleines Kind aufgefressen hatten.

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Felix Lichnowsky: Erinnerungen aus den Jahren 1837, 1838 und 1839. Erster Theil. Frankfurt am Main 1841, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_LICHNOWSKY_E_1_192.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)