Seite:DE Stirner Schriften 074.jpg

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Betrieb ihrer Geschäfte zu stören,“ — da überkam mir eine Anwandlung von übertriebenem christlichen Billigkeitssinn. Was in aller Welt, dachte ich, hat denn die „Minderzahl“ hier zu schaffen? Wenn die Christen verlangen können, daß ihre Festtage durch keinen Geschäftsbetrieb gestört werden, warum denn die Juden nicht auch? Hat Gott kein Gefallen daran, daß eine christliche Andacht durch Lärm unterbrochen werde, so wird er auch den Christen schwerlich freundlich sein, die eine jüdische Andacht mit Hämmern und Aexten durchlärmen. Was ist denn da für ein Unterschied? Verlangt Gott selbst Ruhe für die Andächtigen, so muß am Sabbath so gut als am Sonntag von Allen Ruhe gehalten werden; verlangen aber bloß die Christenmenschen für ihren Sonntag allgemeine Ruhe, so ist das ja ein ganz exclusives Privilegium, und wie das recht und billig sein soll, das verstehe Einer. Der Verfasser von „Zur Judenfrage“ versteht es aber, und mit ihm verstehen es — deß bin ich sicher — Millionen guter Christen, die gar kein Arg darin haben, daß Recht und Billigkeit nach der „Minderzahl“ abgewogen werden sollen. Sie finden es ganz in der Ordnung, daß sie gerade auf die Sonnabende ihre geräuschvollen Markttage verlegen und durch Scheuern und Abfegen ihres wochenalten Schmutzes neben den Stuben, Häusern und Synagogen der betenden Juden einen Mordspektakel machen, der ihnen am folgenden Tage von diesen durch — Schließen der jüdischen Läden und Einstellung alles jüdischen Geschäftsbetriebes — vergolten wird. Wann der Jude betet, schachert und scheuert der Christ, und wann der Christ betet, soll der Jude — faullenzen.

Solche curiosen Grillen fuhren mir bei der Hoffmann’schen Stelle durch den Kopf. Seit ich aber mein christliches Bewußtsein und Hochgefühl wieder gesammelt habe, lache ich mich über meine kindische Guthmüthigkeit aus. Der Anfall menschlicher Schwachheit ist vorüber.