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des Urtheils. Der Verstand allein würde zu dem äussersten Prosarigorismus führen. Alles ihm nicht sogleich Begreifliche würde er von sich abweisen. Aber die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in Königsberg bewegen, verhindert eine solche Verödung. Wofür der Eine mit seinem Verstande nicht ausreicht, dafür findet sich ein Anderer. Dieser weiss seinen Gegenstand zu rechtfertigen und vor dem Verstande zur Geltung zu bringen. Man kann daher oft beobachten, wie bei gegebener Veranlassung zu urtheilen zunächst zwei entgegengesetzte Parteien da sind, eine verwerfende und eine anerkennende. Die Dialektik ihres Streites fördert aber bald ein Urtheil heraus, worin die Heftigkeit des Tadels durch bessere Einsicht gemildert, die Uebertreibung der Gunst durch Aufdeckung wirklicher Schwächen der Sache herabgestimmt ist. Dies als Resultat gewonnene Urtheil wird dann gewöhnlich in die allgemeine Tradition aufgenommen. Allerdings ist der eben geschilderte Process der, welcher überall in der Welt vorkommt. Aber in Königsberg ist er so zu sagen organisirt. Auch da, wo man es nicht erwarten sollte, wird in Königsberg eine Opposition laut werden."

So viel über die erste Erwartung, die, wie ich meine, sich nicht getäuscht sehen wird. Sogar eine Karte mit Figuren ist dem Buche hülfreich beigegeben. Auch das zweite Versprechen, „allgemeine Fragen der Zeit zu berühren“, hat der Verfasser gehalten, und über manche durch geistreiche Wendung ein erhellendes Licht verbreitet. Hierbei kommt nun der Autor nothwendig selbst in Betracht, weil von seinem Standpunkte sein ganzes Urtheil abhängt, und ihn die Welt nicht anders anschaut, als er sie anschaut. Wenn wir Rosenkranz nun immer noch so liebenswürdig, wie sonst, so heiter, offen, freimüthig, so anmuthig und zartsinnig finden, so soll es doch auch nicht verschwiegen werden, dass er dem Zeitgeist, wie er ihn selbst in dem Einen Worte: „Eklekticismus“ auszusprechen