Seite:DE Stirner Schriften 104.jpg

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und so vielen Versicherungen nicht zu ersterbender Liebe und Treue, daß man das Ganze eher für den ceremoniösen Liebesbrief eines Schneidergesellen als für eine gerechte Foderung halten dürfte. Denn der Deutsche hat nicht Courage genug — Recht zu haben, und darum bittet er tausend Mal um Verzeihung, wenn er’s gewagt haben sollte zu glauben, zu meinen, zu vermuthen oder auch nur zu ahnen, daß er bei einem hohen Kunden noch eine politische Foderung ausstehen hätte. Erinnern z. B. nicht die meisten Bittschriften um Preßfreiheit ganz und gar an den vollständig in der Theatergarderobe costumirten Marquis Posa, der sich dem König Philipp zu Füßen wirft mit den Worten: „Sire! geben Sie Gedankenfreiheit!“ Kann man sich denn noch wundern, wenn solche Suppliken ebenfalls mit König Philipp’s Worten: „Sonderbarer Schwärmer!“ abgethan und ad acta gelegt werden? Die wenigen Deutschen, die den Muth hatten, als die Advocaten ihres Vaterlandes dessen politische Rechte in klarer und bündiger Sprache, wie es Männern geziemt, darzulegen, haben es lediglich dieser Feigheit unsers politischen Styles zu danken, daß sie der Staatsinquisition als Opfer in die Hände gefallen sind. Denn, wo die Feigheit Norm ist, da ist der Muth Verbrechen! Ein politischer Schriftsteller unserer Zeit könnte sehr leicht wegen bloßer Stylsünden, dafür, daß er seine Worte und Gedanken in nackter Wahrheit, nicht mit dem vom Ceremonienmeister vorgeschriebenen Kostume bekleidet erscheinen läßt, etwas gelinde von unten nach oben gerädert werden, und das von Rechts wegen. So eunuchenhaft feige der deutsche Styl indeß ist, wenn er politische Rechte geltend zu machen hat, so plump schlägt er auch wieder den großmächtigsten Gewalten das Weihrauchfaß um die Ohren. Wenn irgendwo ein Fürst sagt: „Ich will Recht und Gerechtigkeit üben!“ gleich stürzen ganze Schwärme von Zeitungsphrasen wie wilde Bienen über die Fleckchen Honig her und summen vor Wonne