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dies scheint der nächste Sinn des „äußerlich Geltendmachens“ zu sein. Wiederum läßt sich nicht einsehen, was dagegen einzuwenden wäre, wenn Leute, die selbst eine bestimmte Ueberzeugung gewonnen haben, auch Andere mit ihr vertraut machen, sie möglichst Allen mittheilen und entgegenstehende Ueberzeugungen, wenn sie der Kraft, sich zu halten, ermangeln, stürzen wollen. Der gegenseitige Austausch von Ueberzeugungen muß frei sein, und wenn auch der Preßzwang ihn momentan hemmt, statt ihn zu befördern, so bleiben doch die unbeschränkbaren Handelswege des mündlichen Verkehrs offen, die grade um so eifriger befahren werden, je sorgsamer man die Landstraßen der Literatur vor Schmuggelwaaren gehütet findet. Was man einander ins Ohr sagt, dringt tiefer ins Herz hinunter, als was sausend unter dem Gewirre von tausenderlei Stimmen an den Ohren vorüberfliegt. Man kann sich für den Wunsch, die Gemüther mit dieser oder jener verbotenen Ueberzeugung recht gründlich zu erfüllen und zu erhitzen, kaum einen günstigern Zustand denken, als den eines temporairen Preßzwanges: es darf dann nur die Eine Partei, die bevorzugte, reden, und sie kommt richtig durch ihr Reden um allen Credit, und was sie vertheidigt und preist, wird den Lesern allmälig verächtlich und widerlich. Ja jeden Gran von Freiheit, den man einer Ueberzeugung, welche sich äußern will, entzieht, legt das Publicum als ein Pfund guten Vertrauens auf die Wagschale dieser Ueberzeugung und fügt, es ist so natürlich, noch einen Centner schweren Mißtrauens gegen die Schrankensetzenden hinzu. Wenn die Freien daher ihre Ueberzeugung verbreiten wollen, wer darf, wer kann sie daran hindern? Wer es versuchte, würde die Verbreitung befördern, und den Heißhunger darnach rege machen: verbotene Frucht schmeckt am süßesten. Ob den Freien aber ein „Verein“ zu diesem Zwecke förderlich oder wenigstens nöthig ist, das wäre eine andere Frage. Mit

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_135.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)