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der Erfindungen, der vervielfachten und erhöhten Thätigkeit. Daß die Noth, wenn ihr nicht von außen Einhalt geschieht, sogleich zum Verbrechen, zum Betrug und Diebstahl, führen müße, ist eine Meinung, die zwar verbreitet genug ist, die man aber nicht genug bekämpfen kann. Friedrich der Große schon durchschaute diese weiche, in sich versinkende Indolenz und schrieb das harte Wort, daß nur durch die Verzweiflung etwas aus dem hiesigen Volke werden könne. Die Hülfe, die Jemandem von außen kommt, pflegt schnell genug aufgebraucht zu sein, und dann ist die alte Noth von neuem da und erwartet abermals ein Wunder. – So wird die Trägheit, die allerdings oft dürftig ist, aber es nicht zu sein brauchte, durch die Wohlthaten groß gezogen, und dann weiß man nicht, wie es zugeht, daß der Abgrund, statt sich zu schließen, immer größer wird. Je mehr die Wohlthätigkeit zu einem Systeme sich entwickelt, um so trotziger wird die Foderung, die man an sie macht. Sie erkennt ja die Noth und ihre Verpflichtung, sie aufzuheben, an, sie berechtigt ja den zufällig Leidenden, Hülfe zu erwarten. Die bisher betrachtete Passivität und die Wohlthätigkeit sind also in ein Wechselverhältniß gegenseitiger Steigerung getreten. Die Wohlthätigkeit ist nämlich eine derjenigen Tugenden, die am schnellsten gedeihen, denn von seinem Ueberfluße sich etwas für einen Andern abbrechen, ist nicht zu schwer. Materielles Wohlthun ist ferner ostensibel. Die Namen der Wohlthäter können genannt, können gedruckt werden. Der Eitelkeit wird geschmeichelt, den Dürftigen als ein kleiner Deus ex machina erschienen zu sein. Wenn nun eine fürstliche Person aus einem vollen Säckel den Stadtarmen bei einem vorübergehenden Aufenthalt einige Hundert Thaler schenkt, so ist das recht löblich; hat ihr diese That aber die geringste Aufopferung, die kleinste Anstrengung gekostet? Versagt sie sich deshalb etwas von ihren luxuriösen Gewohnheiten? Auch eröffnet sich hier in

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_146.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)