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wie der Geistliche dort nur für sich, ohne Beziehung und Rücksicht auf die Gemeinde den Gottesdienst verrichte, so wähne der preußische Beamte, besonders der dem Volke fernstehende, daß der Staatsdienst nur für ihn, und daß er nicht für das Volk, sondern das Volk für ihn da sei.“ Da nun „jeder Beamte sich als besonderer Machthaber in dem ihm zugewiesenen Kreise darstellte, und es nicht fehlen konnte, daß diese Beamtenstellung sich dem Volke nur zu empfindlich geltend machte,“ so war die Folge die: „Das Volk sah immer klarer ein, daß es fort und fort wie am Gängelbande geleitet, gleich einer Heerde hierhin und dorthin geführt und, ohne Grund und Zweck zu kennen, bald zu dieser bald zu jener Handlung und Leistung aufgefodert und genöthigt werde. Man erkannte immer mehr und immer allgemeiner, wie sehr oft durch Einseitigkeit einzelner Machthaber der Zweck des Staats verkehrt und verrückt werde, zumal wenn, wie nicht selten geschah, zu solchen einseitigen Tendenzen vom Volk überdies noch Leistungen und Beihülfe gefodert wurden. Es konnte daher nicht fehlen, daß diese Bevormundung mündiger Menschen, im Geiste der Beamten-Hierarchie geführt, das Gefühl der Selbständigkeit des mündigen Theils des Volks tief und schmerzlich verletzte. Um so mehr nahm man im Volke die Städteordnung mit hohem Enthusiasmus auf, und mit um so größerer Sehnsucht sah man einer Communalordnung und einer Volks- oder Ständerepräsentation entgegen, indem man hoffte und meinte: in diesen die Mündigkeit des gebildeten Theils des Volks wirklich auch anerkannt zu sehen. Das Unglück der Jahre 1807 bis 1813 und die Gesetze dieser Zeit förderten die Selbständigkeit des Volks noch bedeutend mehr und brachten sie in immer klareres Bewußtsein. Die schönste Frucht davon und die herrlichste Erklärung des erwähnten Geistes dieser Zeit war die preußische Landwehr, nicht von Militair- und Civilbeamten errichtet, sondern aus dem Volke hergegangen

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_207.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)