Seite:DE Stirner Schriften 241.jpg

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eines gewissen Grades von geistiger Gewandtheit zur Ueberlegenheit über die Ungewandten. Die sogenannte höhere Bildung war daher eine elegante Bildung, ein sensus omnis elegantiae, eine Bildung des Geschmacks und Formensinns, die zuletzt gänzlich zu einer grammatischen herabzusinken drohte, und die deutsche Sprache selbst so sehr mit dem Geruche Latium’s parfümierte, dass man heute noch z. B. in der soeben erschienenen „Geschichte des brandenburgisch-preussischen Staates. Ein Buch für Jedermann. Von Zimmermann“ die schönsten lateinischen Satzbildungen zu bewundern Gelegenheit hat.

Indessen richtete sich allgemach aus der Aufklärung ein Geist des Widerspruchs gegen diesen Formalismus auf, und zu der Anerkennung unverlierbarer und allgemeiner Menschenrechte gesellte sich die Forderung einer Alle umfassenden, einer menschlichen Bildung. Der Mangel einer reellen und in das Leben eingreifenden Belehrung war an der bisherigen Verfahrungsweise der Humanisten einleuchtend und erzeugte die Forderung einer praktischen Ausbildung. Fortan sollte alles Wissen Leben, das Wissen gelebt werden; denn erst die Realität des Wissens ist seine Vollendung. Gelang es, den Stoff des Lebens in die Schule einzuführen, durch ihn etwas Allen Brauchbares zu bieten, und eben darum Alle für diese Vorbereitung aufs Leben zu gewinnen und der Schule zuzuwenden, so beneidete man die gelehrten Herren nicht mehr um ihr absonderliches Wissen, und das Volk beendete seinen Laienstand. Den Priesterstand der Gelehrten und den Laienstand des Volkes aufzuheben, ist das Streben des Realismus, und darum muss er den Humanismus überflügeln. Aneignung der klassischen Formen des Alterthums begann zurückgedrängt zu werden, und mit ihr verlor die Autoritäts-Herrschaft ihren Nimbus. Die Zeit sträubte sich gegen den althergebrachten Respekt vor der Gelehrsamkeit, wie sie denn überhaupt gegen jeden Respekt sich auflehnt. Der wesentliche