Seite:DE Stirner Schriften 243.jpg

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der Einheit und der Allmacht unseres Ich’s, das sich selbst genügt, weil es ausser ihm nichts Fremdes stehen lässt —: Davon liess sich in jenem Princip kaum eine Ahnung erkennen. Und die Freiheit erschien wohl als Unabhängigkeit von Autoritäten, war aber noch leer an Selbstbestimmung und lieferte noch keine Thaten eines in sich freien Menschen, Selbstoffenbarungen eines rücksichtslosen, d. h. eines aus dem Fluctuieren der Reflexion erretteten Geistes. Der formell Gebildete sollte freilich nicht mehr über den Meeresspiegel der allgemeinen Bildung hervorragen und verwandelte sich aus einem „höher Gebildeten“ in einen „einseitig Gebildeten“ (als welcher er natürlich seinen unbestrittenen Werth behält, da alle allgemeine Bildung bestimmt ist, in die verschiedensten Einseitigkeiten specieller Bildung auszustrahlen); allein der im Sinne des Realismus Gebildete war auch nicht über die Gleichheit mit anderen und die Freiheit von Andern, nicht über den sogenannten „praktischen Menschen“ hinausgekommen. Zwar konnte die leere Eleganz des Humanisten, des Dandy, der Niederlage nicht entgehen; allein der Sieger gleisste vom Grünspane der Materialität und war nichts Höheres, als ein geschmackloser Industrieller. Dandismus und Industrialismus streiten um die Beute lieblicher Knaben und Mädchen und tauschen oft verführerisch ihre Rüstungen, indem der Dandy im ungeschliffenen Cynismus und der Industrielle mit weisser Wäsche erscheint. Allerdings wird das lebendige Holz industrieller Streitkolben die trockenen Stecken dandistischer Entmarkung zerbrechen; lebendig aber oder todt, Holz bleibt Holz, und soll die Flamme des Geistes leuchten, so muss das Holz in Feuer aufgehen.

Warum muss inzwischen auch der Realismus, wenn er, wozu ihm doch die Fähigkeit nicht abzusprechen, das Gute des Humanismus in sich aufnimmt, gleichwohl zugrunde gehen? Gewiss kann er das Unveräusserliche und Wahre des Humanismus, die formelle Bildung, in sich aufnehmen,