Seite:DE Stirner Schriften 277.jpg

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– Wie aber erscheint die Liebe Angesichts der Freiheit? Die Braut von Corinth spricht jene grausenvollen Worte aus, mit denen das entsetzliche Verbrechen der Liebe gegen die Freiheit enthüllt wird:

„Opfer fallen hier
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört!“

Ja, Menschenopfer unerhört“ Denn was den Menschen erst zum Menschen macht, der freie Wille, das schmettert die Liebe, ihr Reich für das alleinseligmachende erklärend, von ihrem souverainen Throne aus, donnernd nieder, und auf Sklaven-Schultern hoch emporgehoben, proclamirt sie die Alleinherrschaft der – Willenlosigkeit.

Weil nicht in jeder Zeit Jegliches gesagt werden kann, so brechen wir hier ab und überlassen es einer günstigeren Gelegenheit, die Erscheinungen des Liebesstaates im Einzelnen darzulegen[1]. Ueberall werden wir dabei dem Grundsatze begegnen, dass der Liebevolle nicht Willen, sondern Wünsche hat, und werden sehen, wie prophetisch das grosse Wort des Gouverneurs von Berlin, Grafen von Schulenburg war: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht! In den Armen der Liebe ruht und schläft der Wille, und nur die Wünsche, die Petitionen, wachen. Ein Kampf durchzieht allerdings auch diese Zeit des Liebesregimentes: es ist der Kampf gegen die Lieblosen. Da Einmütigkeit das Wesen der Liebe ist, da Fürsten und Völker in Liebe verbunden sind, so müssen sie ausscheiden, was den Liebesbund lockern will: die Unzufriedenen (Demagogen, Carbonari’s, Cortes in Spanien, Adel in Russland und Polen u. s. w.). Sie stören das Vertrauen, die Hingebung, die Eintracht, die Liebe; „unruhige Köpfe“ rühren die Ruhe des Vertrauens auf, und – Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!


  1. Er ist es werth, denn er ist die vollendetste und – letzte Form des Staates.