Seite:DE Stirner Schriften 321.jpg

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zu ihrem Besten handeln werde. Benimmt er sich dort aber so, daß die Wähler in ihm nicht den Mann ihres Vertrauens sehen; erkennen die Wähler, daß sie sich in ihm getäuscht haben, und wünschen sie eine bessere Wahl zu treffen: was ist dann natürlicher, als daß sie wieder zusammenkommen, und einen besseren oder wenigstens ihnen erwünschten Abgeordneten ernennen? Es ist ihnen doch nicht zuzumuthen, daß sie bei einem Irrthum beharren sollen, der sich wieder gut machen läßt; sie sehen ihren Fehler hintennach ein, und es ist noch nicht – zu spät. Oder vielmehr, es wäre noch nicht zu spät, wenn man gesetzlich die Abberufbarkeit des Gewählten feststellte.

Geschieht das nicht, müssen die Wähler für die ganze Dauer einer Versammlung ihre theuersten Interessen einem Mann überlassen, der sich in ihr Vertrauen einzuschleichen gewußt hat und in dem sie später einen Unwürdigen entdecken: so hat das Gesetz nicht, wie es behauptet, die Wahl eines Vertreters, sondern die eines Despoten angeordnet. Denn ein Vertreter kann er nur so lange sein, als seine Wähler in ihm ihren Vertreter erkennen, so daß er sofort von seiner Stelle abtritt, sobald ihm die Wähler erklären, daß sie ihm nicht mehr vertrauen und einen anderen an seinen Platz berufen. Ein Despot hingegen ist er, wenn er unabrufbar ist, da die Interessen seiner Wähler ganz in seine Gewalt gegeben sind.

Eben das ist es aber, was die Menschen in einem freien Gemeinwesen nicht wollen: sie wollen nicht, daß ihre Angelegenheiten in die Gewalt irgend eines Menschen gegeben seien, selbst wenn dieser Mensch nach seiner besten Ueberzeugung handelte und entschiede. Bietet ihnen das Gesetz gegen den Gewalthaber keinen Schutz, und müssen sie sich ihm für immer unterwerfen, weil sie in dem Wahne, sich einen Vertreter zu wählen, einen Gewalthaber aufgestellt haben, so ist durch den Mangel im Gesetze der Reiz zu Gewaltthätigkeiten gegeben; denn wo das Gesetz