Seite:DE Storm Auf dem Staatshof 07.jpg

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und ich sehe eine alte Frau im grauen Kleide, mit einem feinen blassen Gesicht und mit besonders weißer Fraise auf der Schwelle stehen, während Knecht und Magd eine Leiter an den Wagen legen und uns zur Erde helfen. Noch rieche ich auf dem dunklen Hausflur den strengen Duft der Alandwurzel, womit die Marschbewohner zur Abwehr der Mücken allabendlich zu räuchern pflegen; ich sehe auch noch meinen Vater der alten Dame die Hand küssen; dann aber verläßt mich die Erinnerung, und ich finde mich erst nach einigen Stunden wieder, auf Heu gebettet, eine warme sommerliche Dämmerung um mich her. Ich sehe an den aus Heu und Korngarben gebildeten Wänden empor, die um mich her zwischen vier großen Ständern in die Höhe ragen; so hoch, daß der Blick durch ein wüstes Dunkel hindurch muß, bis er auf’s Neue in eine matte Dämmerung gelangt, die zwischen zahllosen Spinngeweben aus einem Dachfensterchen hereinfällt. Es ist das sogenannte „Vierkant“, worin ich mich befinde; der zum Bergen des Heues bestimmte Raum im Innern des Hauses, wovon das Hofgebäude in unseren Marschen die eigenthümlich hohe Bildung des Daches und seinen Namen „Heuberg“

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Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Braunschweig: George Westermann, 1891, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Storm_Auf_dem_Staatshof_07.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)