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Sie sah dabei fast mitleidig auf ihre kleinen Hände, deren Schönheit sie der Noth des Lebens opfern wollte. Nur zur Rückkehr nach der Stadt vermochte ich sie nicht zu bewegen. „Nein, nicht unter Menschen!“ sagte sie und sah mich bittend an, „laß mich hier, Marx, so lange es mir noch gestattet ist; aber komm oft einmal heraus zu uns.“

So verließ ich sie an diesem Abend; aber ich ging von nun an häufig den Weg über die Fennen nach dem Staatshof. – Anne Lene schien ihr Versprechen halten zu wollen; ich fand sie mehrere Male beim Sahnen in der Milchkammer, oder am Butterfasse, wo sie abwechselnd mit der alten Wieb den Stempel führte; ja, sie ließ es sich nicht nehmen, die Butter zum Kneten in die Mulde zu thun, ganz wie sie es von ihrer alten Wärterin gesehen hatte; sie schien es auch nicht zu merken, daß diese hinterher ganz im Geheim die letzte Hand an ihre Arbeit legte. Allein man fühlte leicht, daß die Theilnahme an diesen Dingen nur eine äußerliche war; eine Anstrengung, von der sie bald in der Einsamkeit ausruhen mußte.

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Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Braunschweig: George Westermann, 1891, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Storm_Auf_dem_Staatshof_45.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)