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Der grad’ erscheinen läßt die krummen Pfade,

4
Da hört’ ich, wie sie beim Verschließen klang.

Wie ward’s auch wohl entschuldigt, wie verziehen,[1]
Wenn nach ihr umzuschau’n mich Neugier zwang?

7
Wir mußten durch gespaltnen Felsen ziehen,[2]

Der vor und rückwärts sprang vor unsrer Bahn,
Wie Wogen sich anwälzen erst, dann fliehen.

10
„Jetzt gilt es Kunst“, so fing mein Führer an!

„Bald hier, bald dorten angeschmiegt den Seiten,
Wo sie zurückeweichen, zieht die Bahn!“[3]

13
Wir durften drum nur langsam vorwärts schreiten,

Und schon war Luna’s Rand dem Meer genaht,[4]
Schon sah ich sie hinab in’s Bette gleiten,

16
Eh’ wir zurückgelegt den engen Pfad;

Doch blieben wir an seinem offnen Rande,
Da, wo der Berg etwas zurücke trat,

19
Ich matt, und fremd wir Beid’ in diesem Lande,

In Zweifeln stehn an einem ebnen Ort,
Der öd’ war, wie ein Berg in Lybiens Sande.

22
Von wo sein Rand ans Leere gränzt, bis dort[5]

Zum Fuß der Felsen, die sich jenseits heben,
Ging ebner Raum drei Menschenlängen fort.

25
So weit grad’ aus der Blicke Flügel schweben,

Schien solch ein Raum zur recht’ und linken Hand
Den Berg als Kranz vorspringend zu umgeben.


  1. 5. 6. Der Dichter beachtet die V. 131 und 132 des vorigen Gesanges erhaltene Warnung.
  2. 7. Der Anfang des Weges durch den Felsenspalt ist rauh und schwierig. Aber mit jeder besiegten Schwierigkeit wächst die Kraft, die künftigen zu überwinden, bis zuletzt der Kampf zur Lust wird. Diese Idee, deren Wahrheit Jeder, der irgend einem guten und bedeutenden Zwecke mit ernstem treuem Gemüthe nachgestrebt und sich durch dies Streben geläutert und gestärkt hat, empfinden wird, findet sich im Verfolg des Gedichtes wiederholt angedeutet.
  3. 12. Die Wanderer müssen sich an die Felsen halten, wo sie zurücktreten, um nicht an die vorspringenden anzustoßen.
  4. 14. Der Mond, der seit vier Tagen abgenommen, geht des Vormittags, gegen 9–10 Uhr nach unserer Rechnung, unter und ist am Tage noch sichtbar. [Es sind also einige Stunden seit Dante’s Erwachen verstrichen.]
  5. 22. [Ganz zu der schon mehrmals gegebenen Beschreibung der Oertlichkeit stimmende Darstellung.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_252.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)