Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 275.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
28
Und Jener sprach: „Nicht kann ich dies ergründen,

Doch werth des Untergangs ist jenes Wort,
Das nur Erinn’rung weckt an Schmach und Sünden.

31
Denn von dem Ursprung im Gebirge dort,[1]

(Von dem sich einst Pelorum trennen müssen,)
Wo’s wasserreich, wie sonst an keinem Ort,

34
Bis dahin, wo der Fluß mit ew’gen Güssen

Das, was dem Meer die Sonn’ entsaugt, ersetzt,
Was Nahrung gibt den Bächen und den Flüssen –

37
Wird, sei’s durch schlechte Sitt’ und Neigung jetzt,

Sei’s, daß der Ort an einem Fluche leide,
Die Tugend, gleich den Schlangen, fortgehetzt.

40
Die Menschen drum in diesem Thal voll Leide

So gänzlich haben die Natur verkehrt,
Als ob sie kämen von der Circe Weide![2]

43
Zu garst’gen Schweinen, mehr der Eicheln werth,[3]

Als dessen, was Natur den Menschen spendet,
Ist erst sein wasserarmer Lauf gekehrt.

46
Dann, wie er weiter seine Wogen sendet,

Trifft er ohnmächt’ge kleine Kläffer an,
Von welchen er die Stirn unwillig wendet.

49
Je mehr er schwillt in seiner tiefern Bahn,

Sieht der unselige, verfluchte Graben
Die Hund’ an Art sich mehr den Wölfen nahn.

52
In tiefen Klüften scheint er drauf vergraben,

Und trifft dann Füchs’, in List so eingeweiht,


  1. [31–42. Diese, etwas schwerfällig breite Schilderung will das ganze Arnothal, vom Ursprung bis zum Meer, bezeichnen. Aber überall weiß der unerschöpfliche Dichter eine Reminiscenz anzufügen. So zuerst, daß gegenüber der äußersten Südspitze des Apennin das Cap Pelorum ohne Zweifel ursprünglich mit dem letzteren zusammenhing; ferner, daß die Quellgegend des Arno noch fünf andere Flüsse entsendet und eine der wasserreichsten des Apennin ist. Endlich nimmt er in V. 34 ff. besonderen Bezug auf den Kreislauf des Wassers auf dem Erdboden, vermöge dessen das Meer, durch seine Ausdünstung Quellen und Flüsse speisend, selbst wieder durch die ihm zuströmenden Flüsse gespeist wird.]
  2. [42. Als wären sie von Circe, die einst des Odysseus Genossen das Gleiche anthat, in Thiere verwandelt.]
  3. 43–54. Der Dichter kommt hier auf die Verdorbenheit seiner Zeit und seines Landes zurück, in deren Züchtigung er unerschöpflich und [276] unversöhnlich ist. Als garstige Schweine bezeichnet er zuvörderst die Einwohner von Casentino [wo er im Anfang seiner Verbannung sich aufhielt], als ohnmächtige kleine Kläffer die von Arezzo. Den Wölfen ähnlich an größerer Kraft und Freßgier findet er die Florentiner und die Pisaner an List und Trug den Füchsen. [Man sieht, daß dem zweiten Kreis entsprechend, vornehmlich die aus dem Neide quellenden Laster genannt sind.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_275.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)