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Wann in Faënza wird, gleich Bernardin,[1]
So edler Sproß aus niedrem Stamm entsteigen?

103
Nicht staune, Tuscier, daß ich traurig bin,[2]

Wenn ich des Guid’ von Prata noch gedenke,
Und deß, der mit uns war, des Ugolin,

106
Dann auf Tignoso die Erinn’rung lenke,

Auf Traversar’s und Anastasens Haus,
Und ob des unbeerbten Stamms mich kränke!

109
Auf Ritter, Frau’n, auf Spiele, Kampf und Straus,

Was wir aus Lieb’ und Edelsinn begannen,
Wo jetzt die Herzen sind voll Tück’ und Graus!

112
O Brettinoro, fliehst du nicht von dannen,[3]

Da, um zu fliehn Verderben, Schand’ und Hohn,
Dein ganzes Haus und Viele mit entrannen!

115
Wohl dir, Bagnacaval, dir fehlt der Sohn![4]

Weh, Castrocaro, dir, da mit Verderben
Dich solche Grafen, wie du zeugst, bedrohn!

118
Gut werden thun, wird erst ihr Dämon sterben,[5]

Faënza’s Herrn, doch nimmer werden sie
Des Ruhmes reines Zeugniß sich erwerben.

121
Dir, Ugolin von Fantoli, wird nie[6]

Des edlen Namens reiner Glanz gebrechen,
Da dir das Schicksal keinen Sohn verlieh!

124
Doch jetzt, Toskaner, geh, denn nicht zum Sprechen,

  1. 101. Bernardin, ein Man von niederer Geburt, gelangte durch seine Vorzüge zu großem Ansehn in Faënza.
  2. 103–111. Auch in diesen Versen ist von edlen Vätern die Rede, deren Söhne entarteten, [von Tugenden der Freigebigkeit, des Edelsinns etc., die jetzt ausgestorben sind.]
  3. 112. [Brettinoro, eine kleine Stadt in der Romagna; ihr herrschendes „Haus“ waren die Manardi oder Bulgari, 1295 als ghibellinisch mit ihren Anhängern vertrieben, worauf V. 113 anspielt.]
  4. 115. Bagnacavallo und Castrocaro, Städte der Romagna, die zu jener Zeit eigene Grafen hatten.
  5. 118. Machinardo Pagani, Herr von Imola und Faënza, erhielt wegen seiner Bosheit und List den Beinamen des Teufels. Seine Söhne waren zwar besser, als er, doch nicht so, wie der Dichter, ihr Zeitgenosse, wünscht.
  6. [121. Ugolino Fantoli zu Faënza, ein tapferer, edler Charakter, fiel vor Forli 1282, ohne einen Sohn zu hinterlassen.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_278.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)